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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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fortgerissen.
    Nochmal!
    Sie beginnt zu husten und einen Schwall Meerwasser zu erbrechen. Ich drehe ihren Kopf zur Seite, sodass das Wasser auf den Boden rinnt und sie nicht daran erstickt.
    Zitternd liegt sie da, die Knie angezogen, die Arme um die Schultern geklammert, und stöhnt leise. Sie muss Schmerzen haben, denn sie blutet aus mehreren Wunden, die ihr die Hummer mit ihren kräftigen Scheren beigebracht haben.
    »Alessandra!«
    »Yannic?« Sie blinzelt in den niederrauschenden Regen. »Du verdammter Mistkerl!«, stößt sie röchelnd hervor und schlägt ohne jede Kraft nach mir. »Ich hasse dich!«
    »Wir müssen von hier verschwinden.« Ich beuge mich über sie, hebe sie schwungvoll hoch und stemme mich gegen den Sturm, der uns umzureißen droht. »Leg deinen Arm um mich«, keuche ich. »Ja, so ist es gut. Halt dich an mir fest. Gut so.«
    Sie legt ihren Kopf an meine Schulter und birgt ihr Gesicht an meiner nackten Haut, während ich mit ihr die Stufen ins tosende Wasser hinunterstolpere.
    »Kannst du schwimmen?«
    Sie nickt.
    »Wir müssen zur Lastenrampe schwimmen. Ich werde dich hinter mir herziehen.«
    »Das ist Wahnsinn«, krächzt sie und muss wieder husten.
    »Es gibt keinen anderen Weg. Ich wollte dich zu meinem Boot bringen, um dich zum Festland hinüberzusegeln, aber die anderen kommen bereits über die Felsen. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wir müssen hier weg.« Ich lasse mich mit ihr rückwärts ins gischtende Wasser fallen, packe sie unter der Achsel, hebe mit der Hand ihr Kinn über das Wasser, sodass sie nicht allzu viel schlucken muss, und ziehe sie am Ufer entlang hinter mir her. Nur wenige strampelnde Schwimmstöße – für mehr hätte meine Kraft ohnehin nicht ausgereicht, denn die Brandung wird immer stärker.
    Endlich haben wir die Rampe erreicht. Ich nehme sie in die Arme und trage sie zum Schlussstein, wo ich sie absetze.
    Erschöpft lässt sie sich zurücksinken und lehnt sich mit dem Rücken gegen die Steine. »Dio del Cielo – Gott im Himmel!«
    »Geht’s?«
    Sie atmet tief durch. »Augenblick noch.«
    Ich decke sie mit meiner wollenen Kukulle zu, die ganz schwer vor Nässe ist.
    Die anderen haben die Terrasse der Kapelle erreicht, schwenken ihre Fackeln und spähen hinunter zur Reuse. Gleich werden sie entdecken, dass sie nicht mehr da ist.
    »Alessandra?«
    Sie schnauft und blinzelt mich an. »Siehst müde aus!«, nuschelt sie so leise, dass ich sie im Rauschen des Regens kaum verstehen kann. »Hast mir das Leben gerettet.«
    »Schon gut.«
    »Was ich vorhin gesagt habe … dass ich dich hasse …«
    »Vergiss es.«
    Ihr Blick folgt meinem ausgestreckten Arm zur hell erleuchteten Kapelle, die nur wenige Schritte entfernt ist. Die leere Reuse wird hochgezogen. Wütendes Geschrei brandet auf. Plötzlich prasseln Hagelkörner auf uns herab. Schnell bedecken sie den Felsenstrand mit glitzerndem Weiß.
    Ich fahre herum. Aus der Schwärze rast ein gewaltiger Hagelschauer auf uns zu.
    Hastig werfe ich meinen Habit über und schlüpfe in meine Sandalen. »Wir müssen weg hier!«
    Sie atmet tief durch. »Wohin bringst du mich?«

Alessandra
Kapitel 53
    Im Ossuarium
Gegen Viertel vor vier Uhr morgens
    Ein dumpfer Schrei! Erschrocken zucke ich zusammen. Gott im Himmel, was war das? Ein Mensch im Todeskampf!
    Yannic?, denke ich voller Angst. Angespannt lausche ich in das Stöhnen und Heulen des Sturms. Doch der entsetzte Schrei ist im niederrauschenden Eisregen verklungen.
    Zitternd hocke ich in der dunklen Nische zwischen den grinsenden Totenschädeln und starre die nassen Fußabdrücke an, die Yannic und ich hinterlassen haben. Im Licht der Kerze auf dem Altar der Totenkapelle schimmern sie verräterisch. Ich horche mit angehaltenem Atem.
    Noch fünf Minuten. Wenn Yannic bis dahin nicht zurück ist, verschwinde ich.
    Trotz der Kälte läuft mir der Schweiß über das Gesicht. Mein Herz rast, und das Blut rauscht in meinen Ohren. Ich mache einen tiefen Atemzug und reibe mit den Händen über meine feuchtkalte Haut. Ich bin nackt. Yannic hat mir eben die tropfnassen Sachen ausgezogen, sich neben mich gelegt, mich fest in die Arme genommen und mit seinem Körper gewärmt.
    Wer außer Yannic und mir ist noch in der Abtei?
    Bevor er verschwunden ist, um mir trockene Sachen zu holen, hat er mir erzählt, er habe Raymond im Scriptorium gesehen, wie er in einem Kodex blätterte. In der Klosterchronik.
    Corentin hatte sie mir vorhin gestohlen und später ins Archiv zurückgebracht.

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