Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
Vom Netzwerk:
flatternde Fensterpergament.
    Niemand zu sehen. Die Mönche sind in der Krypta der dreißig Kerzen und feiern die Vigilien.
    Ich schwinge meine Beine über das Fenstersims und steige in die dunkle Treppengalerie. Obwohl die Tür zu dem verborgenen Gang zwischen dem Gästesaal und der Treppe zur Abteikirche offen steht, kann ich nichts hören. Keine Gebete, kein Gesang der Psalmen, kein Te Deum.
    Keine Vigilien?, frage ich mich erschrocken. Ich bin nicht zum Stundengebet erschienen, das vor einer Viertelstunde gehalten werden sollte – suchen sie etwa nach mir?
    Ich husche zur offenen Tür des Gästesaals.
    Wo ich abrupt stehen bleibe.
    Ein Mönch steht mit hochgezogener Kapuze am Tisch und stöbert in meinen Sachen, die er über die Tischplatte verstreut. Der Purpurmantel meines Cousins hängt über einer Stuhllehne.
    Erst verschwinden die echten Beglaubigungsschreiben aus dem Versteck im Kamin und nun …
    Mein Blick huscht hinüber zum zerwühlten Bett. Das Laken wurde herausgerissen und liegt zerknüllt auf dem Boden. Die Matratze hängt schief im Bettgestell.
    Das Buch der Geheimnisse des Satans!
    Siedend heiß durchläuft mich der Schreck: Hat er es gefunden?
    Ich sehe zurück zum Tisch. Neben den gefälschten Beglaubigungsschreiben von Tommaso und Louis liegt ein Schwert. Die Scheide ist angeschlagen, der Griff abgenutzt. Eine tödliche Waffe. Eine englische Waffe.
    Ist er Sir Robin FitzAlan?
    Ich versuche sein Gesicht zu erkennen, aber es liegt im Schatten, obwohl er neben der Stundenkerze steht.
    Als er sich abwendet und die zweite Tasche durchsucht, fällt der Lichtschein einen Lidschlag lang unter die Kapuze. Schwarzes Leder. Ein verwundetes, verbundenes, verborgenes Gesicht? Eine entstellte Dämonenfratze, die an die steinernen Wasserspeier von Notre-Dame de Paris erinnert?
    Ist er der Assassino?

Yannic
Kapitel 34
    Auf der Plattform des eingestürzten Westflügels
Zwanzig Minuten nach zwei Uhr nachts
    »Ich hab’s!«, ruft Padric aufgeregt. »Ich hab die Lösung!«
    Yvain wendet sich zu ihm um, der noch auf seiner Tafel herumkritzelt. »Und?«
    »Da steht: ›Hoc est corpus meum et hic est sanguis meus …‹«
    »Das ist ja wohl die Pervertierung der heiligen Messe und der Eucharistie schlechthin!«, empört sich Yvain, der Abelard wieder einen langen Blick zuwirft. »Und weiter?«
    »Bin ich noch nicht.«
    Ich blicke Padric über die Schulter. »Lass mal sehen!«
    Er hebt das Schiefertäfelchen, damit ich sein Gekrakel entziffern kann.
    Ich muss mich zusammenreißen, damit die anderen mir mein Erschrecken nicht anmerken. ›Hoc est corpus meum et hic est sanguis meus … Dies ist mein Leib und dies ist mein Blut.‹ Auf Padrics Tafel sind nicht mehr viele Buchstaben, aus denen der Satz vervollständigt werden könnte. Das darf doch nicht wahr sein! »Gib mir mal den Stift, Padric!«
    Er hält ihn mir hin. »Alles in Ordnung, Yannic?«
    Ich muss wohl aschfahl geworden sein, denn Padric haut mir sanft auf die Schulter. »He!«
    Ich kritzele auf dem Täfelchen herum. Kein Zweifel, das Verb heißt ›sacrificantur‹, eine andere Wortstellung ergibt keinen Sinn.
    »Yannic! Du machst mir Angst! Was ist los mit dir?«
    Sacrificantur – sacrificare, opfern, Präsens, Indikativ, Passiv. ›Dies ist mein Leib und dies ist mein Blut, die geopfert werden.‹
    Yvain hat recht: Das klingt ganz nach einer Verhöhnung der Eucharistiefeier. Anstelle von Brot und Wein liegt ein Mensch auf dem Altar in Form eines Sigillum Dei.
    Die restlichen Buchstaben lassen mir das Blut in den Adern gefrieren. Sie ergeben einen Namen.
    Mir bleibt fast das Herz stehen, als sich plötzlich von hinten eine Hand auf meine Schulter legt. »Yann? Du siehst aber gar nicht gut aus, mein Junge. Und du zitterst. Ich hoffe, da steht nicht dein Name.«

Alessandra
Kapitel 35
    Im Gästesaal
Zwanzig Minuten nach zwei Uhr nachts
    Ist er der Assassino? Oder verbirgt Yannic sich hinter der schwarzen Maske?
    Ich ziehe meinen Dolch und warte ab. Und wenn es wirklich Yannic ist? Ich packe den Griff noch fester. Wenn er den Saal verlassen will, muss er an mir vorbei.
    Er wendet sich um und geht mit der Sturmlaterne zu den Fenstern. Unter seinen Füßen knirschen Scherben. Offenbar hat der Sturm einen Ast gegen ein Fenster geschleudert, das dabei zerborsten ist. Er späht durch das scharfkantige Loch hinüber zur Tombelaine. Dann hebt er die Sturmlaterne und gibt Leuchtzeichen. Was er der englischen Garnison mitzuteilen hat, kann ich jedoch weder sehen

Weitere Kostenlose Bücher