Das Testament des Satans
Arm packt. Schritte hallen durch den gewölbten Gang. Fackelschein kommt auf uns zu.
»Vier oder fünf Fratres«, flüstert Yannic. »Sie kommen uns aus dem Promenoir entgegen. Wir müssen zurück.«
Ich blicke mich um. »Wohin?«
Yannic deutet über seine Schulter. »Lauf!«
Ich wende mich um, haste zurück, stolpere um ein Haar über Tyson, der uns gefolgt ist und der fauchend zur Seite springt, und hetze, zwei Stufen auf einmal, die steile Treppe hinauf zur Kirche. Im dunklen Seitenschiff lehne ich mich außer Atem gegen eine Säule und warte auf Yannic.
Aber er folgt mir nicht.
Von unten dröhnen die Stimmen der Fratres herauf. Doch im heller werdenden Schein der Fackeln kann ich Yannic nicht sehen. Verflucht! Er hat noch das Notizbuch! Die Frage, ob er sich für Conan oder für mich entschieden hat, ist ein für alle Mal geklärt, denke ich verbittert. Er hat mich erneut verraten!
Ich bin so wütend, dass ich mich verschlucke. Nur mühsam kann ich den Hustenreiz unterdrücken.
Ich spähe die Treppe hinunter. Sie kommen! Nichts wie weg!
Ich wirbele herum, um zum gegenüberliegenden Portal zu huschen, das in den Kreuzgang führt, aber auch von dort nähern sich Stimmen, die im kleinen Hof vor dem Kirchenportal widerhallen. Sie sind schon da!
Yannic hat mich ins offene Messer laufen lassen!
Hastig blicke ich mich um, während die Schritte hinter mir die Treppe hinaufpoltern. Das Hauptportal? Zu weit entfernt. Das südliche Seitenportal zur Abteitreppe? Und dann? Das Portal des Châtelets ist verriegelt. Die Abbaye du Mont-Saint-Michel ist eine Festung. Ich kann weder die Abtei noch die Insel verlassen. Die Flut kommt unaufhaltsam – in weniger als einer Stunde, gegen drei Uhr, erreicht das Wasser den höchsten Punkt. Soll ich schwimmen? Unmöglich, die Strömung ist zu stark! Ich würde abtreiben und ertrinken. Wegsegeln mit Yannics Boot? Aussichtslos. In diesem Sturm würde ich keine Küste erreichen, die bretonische nicht, auch nicht die normannische oder die englische.
Ich atme tief durch, werfe mir den Purpurmantel über die Schultern, haste zum Altar, schiebe das Schwert darunter und knie vor der Granitstatue des Erzengels nieder.
Ich bekreuzige mich. Ohne das Breve des Papstes nützt mir Prosperos Kardinalsmantel allerdings wenig. Aber die Vollmacht ist aus dem Versteck im Kamin des Gästesaals verschwunden. Wer hat sie? Yannic! Gott verfluche diesen Verräter! Wie konnte ich so bescheuert sein und ihm vertrauen? Wie konnte ich auch nur einen Augenblick lang annehmen, er würde sich gegen seine Freunde und seine Heimat, das Kloster, für mich entscheiden, um mir das Leben zu retten?
Die vier oder fünf Mönche hinter mir bleiben stehen, als sich das Seitenportal zum Kreuzgang öffnet und weitere Fratres mit Fackeln die Kirche betreten. »Da ist sie!«
»Betet sie?«
»Scheint so.«
Trotz des Sturms kann ich das Schlurfen ihrer Sandalen auf dem Steinboden der Kirche hören, das Rascheln ihrer Gewänder, ihren gepressten Atem. Sie kommen näher.
Ich spanne meine Schultern an und umklammere den Griff meines Dolches, bereit zum Kampf. Robins Schwert liegt zwei Schritte entfernt.
Erneut wird das Seitenportal geöffnet. Der Sturm fegt mehrere Mönche in die Kirche. Dann fällt das Tor mit einem dumpfen Geräusch ins Schloss.
Aufgeregtes Getuschel.
»Da ist sie!«
»Das sehe ich!«
Schritte nähern sich.
Ich halte den Blick gesenkt und gebe vor, in ein Gebet versunken zu sein.
Ein Mönch bleibt neben mir stehen. »Euer Gnaden?«
Ich bekreuzige mich langsam und blicke auf. Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt.
Père Yvain faltet seine Hände in den Ärmeln seines Habits. »Euer Gnaden, bitte verzeiht, dass wir Euch aus Eurem frommen Gebet herausreißen.«
»Schon gut«, winke ich ab. »Die Vigil habe ich offenbar verpasst. Die Kapelle war dunkel und verlassen. Deshalb habe ich mich hierher zurückgezogen.«
Er guckt mich an, als sei ich nicht ganz bei Trost. Nachts allein in der Kirche? »Die Vigil hat noch gar nicht stattgefunden«, presst er schließlich hervor.
»Ich dachte, Père Yann habe vergessen, mich zu wecken.«
»Nein, Euer Gnaden. Einer der Brüder ist ermordet worden.«
Schwungvoll schlage ich meinen Mantel zurück und erhebe mich. Nicht, dass er mir galant aufgeholfen hätte, o nein! Yvain richtet sich auf und strafft die Schultern, um auf mich herabsehen zu können, aber das misslingt ihm. Denn ich bin so groß wie er.
Ein Mönch mit schwarzer Ledermaske tritt
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