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Das Testament

Das Testament

Titel: Das Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Telefonnummer von Senhor Ruiz. Manche Boote auf dem Paraguay verfügten über Funk. Jevy bat Fernando, den Anwalt von der jüngsten Entwicklung in Kenntnis zu setzen, falls eins vorbeikommen sollte.
    Mit Vollgas fuhr er davon, hocherfreut, wieder ein Boot zu haben, das den Fluss rasch durchschnitt. Das Kielwasser schäumte hinter ihm auf.
    Das Denguefieber konnte tödlich verlaufen. Sein Vater hatte eine ganze Woche mit dem Tod gerungen, entsetzliche Kopfschmerzen und starke Fieberanfälle gehabt.
    Seine Augen hatten so weh getan, dass die Mutter ihn tagelang in einen verdunkelten Raum gelegt hatte. Er war ein zäher Flussschiffer, der Verletzungen und Schmerzen zu ertragen verstand, und als Jevy ihn wie ein kleines Kind jammern hörte, war ihm klar, dass sein Vater im Sterben lag. Der Arzt war jeden zweiten Tag gekommen, und schließlich hatte das Fieber aufgehört.
    Von Nate konnte er nur die Füße sehen, die unter dem Zelt vorstanden, sonst nichts. Bestimmt würde er nicht sterben.

    DREIUNDDREISSIG

    Er wurde einmal für kurze Zeit wach, konnte aber nichts sehen. Als er das nächste Mal aufwachte, war es dunkel. Er wollte Jevy bitten, ihm etwas zu trinken zu geben, einen Schluck Wasser und vielleicht einen Bissen Brot. Aber seine Stimme gehorchte ihm nicht. Es kostete ihn große Mühe zu sprechen, vor allem weil er den Lärm des Motors übertönen musste. Seine schmerzenden Gelenke zogen ihn zu einem Knäuel zusammen. Er war mit der Aluminiumhaut des Bootes wie verschmolzen.
    Rachel lag neben ihm unter dem stinkenden Zelt. Auch sie hatte die Knie eng an den Körper gezogen. Wie damals, als sie vor ihrer Hütte auf dem Boden und später auf der Bank unter dem Baum am Fluss gesessen hatten, berührten ihre Knie einander ganz leicht. Eine Frau, die danach hungerte, die unschuldige Berührung eines anderen Menschen zu spüren. Sie hatte elf Jahre unter den Ipicas gelebt, deren Nacktheit bei einem Menschen, der aus der Zivilisation kam, für einen gewissen Abstand sorgte. Schon eine einfache Umarmung war eine komplizierte Angelegenheit. Wo hält man den anderen? Wo tätschelt man ihn? Wie lange drückt man ihn an sich? Bestimmt hatte sie keinen der Männer je angerührt.
    Er wollte sie küssen, und sei es nur auf die Wange, denn offensichtlich hatte sie Jahre ohne ein solches Zeichen der Zuneigung auskommen müssen. »Wie lange liegt Ihr letzter Kuss zurück, Rachel?« wollte er sie fragen. »Sie waren doch mal verliebt. Wie weit sind Sie gegangen?«
    Aber er behielt seine Fragen für sich, und sie unterhielten sich statt dessen über Menschen, die sie nicht kannten. Sie hatte einmal eine Klavierlehrerin gehabt, deren Atem so schlecht war, dass sich die weißen Tasten gelb verfärbten.
    Er hatte einen Lacrosse-Trainer gehabt, der von der Hüfte abwärts gelähmt war, weil er sich bei einem Lacrosse-Spiel das Rückgrat gebrochen hatte. Eine junge Frau in ihrer Kirchengemeinde war schwanger geworden, und ihr Vater hatte sie von der Kanzel herab öffentlich verdammt. Eine Woche später hatte sie sich das Leben genommen. Einer seiner Brüder war an Leukämie gestorben.
    Er rieb ihr die Knie, und es schien ihr zu gefallen. Aber das war das Äußerste.
    Einer Missionarin gegenüber durfte man sich nichts herausnehmen.
    Sie war gekommen, um zu verhindern, dass er starb. Zweimal hatte sie selbst gegen die Malaria gekämpft. Das Fieber kommt und geht, der Schüttelfrost packt den Kranken mit eiskalter Faust im Unterleib und hört dann wieder auf. Die Übelkeit meldet sich immer wieder. Dann spürt man stundenlang nichts. Sie tätschelte seinen Arm und versprach ihm, dass er nicht sterben würde. Das sagt sie jedem, dachte er. Der Tod wäre ihm willkommen.
    Dann spürte er auf einmal keine Berührung mehr. Er öffnete die Augen und streckte die Hand nach Rachel aus, aber sie war fort.
    Jevy hörte ihn zweimal im Fieber phantasieren. Beide Male legte er an und nahm das Zelt von Nate. Er gab ihm Wasser zu trinken und goss ihm vorsichtig etwas davon über das schweißnasse Haar.
    »Wir sind fast da«, sagte er immer wieder. »Es dauert nicht mehr lange.«
    Als er die ersten Lichter von Corumba in der Ferne auf dem Hügel aufblitzen sah, traten ihm Tränen in die Augen. Zwar hatte er diese Lichter schon oft gesehen, wenn er aus dem nördlichen Pantanal heimkehrte, doch noch nie waren sie ihm so willkommen gewesen. Er zählte sie, bis sie zu einem ununterscheidbaren Fleck verschmolzen.
    Es war fast elf Uhr abends, als er ins

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