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Das Testament

Das Testament

Titel: Das Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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seichte Wasser sprang und das Boot an den brüchigen Betonanleger zog. Niemand war zu sehen. Er lief den Hügel hinauf zu einer Telefonzelle.
    Senhor Valdir Ruiz saß im Schlafanzug vor dem Fernseher und rauchte die letzte Zigarette des Tages, ohne auf die Vorhaltungen seiner Frau zu achten, als das Telefon klingelte. Er nahm gelassen ab, sprang dann aber mit einem Satz auf.
    »Was gibt es?« fragte seine Frau, als er zum Schlafzimmer rannte.
    »Jevy ist zurück«, antwortete er über die Schulter.
    »Wer ist das?«
    Als er angekleidet wieder an ihr vorbeiging, sagte er: »Ich gehe zum Fluss.«
    Nichts hätte ihr gleichgültiger sein können.
    Aus dem Auto rief er einen befreundeten Arzt an, der gerade zu Bett gegangen war, und überredete ihn, am Krankenhaus auf ihn und den Patienten zu warten.
    Als er den Fluss erreichte, sah er Jevy, der unruhig am Anleger auf und ab ging.
    Der Amerikaner saß auf einem Stein, der Kopf lag auf den Knien. Wortlos hoben sie ihn vorsichtig auf den Rücksitz, dann fuhr Ruiz davon, dass der Kies hinter den Reifen aufspritzte.
    Er hatte so viele Fragen, dass er nicht wusste, mit welcher er anfangen sollte.
    Die Vorwürfe konnten warten. »Wann ist er krank geworden?« fragte er auf portugiesisch. Jevy saß neben ihm, rieb sich die Augen und versuchte, wach zu bleiben. Zum letzten Mal geschlafen hatte er im Indianerdorf. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Die Tage gehen ineinander über. Er hat Denguefieber. Der Ausschlag zeigt sich am vierten oder fünften Tag, und ich glaube, er hat ihn jetzt seit zwei Tagen. Ich weiß es aber nicht genau.«
    Ohne auf Schilder und Ampeln zu achten, jagten sie durch die Stadt. Es gab nur wenig Verkehr. Die Straßencafes schlössen allmählich.
    »Haben Sie die Frau gefunden?«
    »Ja.«
    »Wo?«
    »In der Nähe des Gebirges. Ich vermute, dass das in Bolivien liegt. Einen Tag südlich von Porto Indio.«
    »Ist das Dorf auf der Karte eingezeichnet?«
    »Nein.«
    »Und wie haben Sie sie dann gefunden?«

    Kein Brasilianer würde je zugeben, dass er sich verirrt hatte, schon gar nicht ein erfahrener Führer wie Jevy. Das würde nicht nur seinem Selbstwertgefühl schaden, sondern unter Umständen auch dem Geschäft. »Wir waren in einem überschwemmten Gebiet, wo Karten überhaupt nichts nützen. Ich bin da auf einen Fischer gestoßen, der uns Auskunft gegeben hat. Wie geht es Welly?«
    »Gut. Das Boot ist verloren.« Valdir machte sich weit größere Sorgen um das Boot als um dessen Matrosen.
    »Ein solches Unwetter wie die drei, die wir mitgemacht haben, hab ich noch nie erlebt.«
    »Was hat die Frau gesagt?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe gar nicht mit ihr gesprochen.«
    »War sie überrascht, Sie zu sehen?«
    »Eigentlich nicht. Sie hat ziemlich gelassen auf mich gewirkt. Ich glaube, sie kann unseren Freund dahinten gut leiden.«
    »Was ist bei der Begegnung herausgekommen?«
    »Fragen Sie ihn.«
    Nate lag zusammengekrümmt auf dem Rücksitz und hörte nichts. Da Jevy wohl nichts wusste, drang Senhor Ruiz auch nicht weiter in ihn. Die Anwälte konnten später miteinander reden, sobald Nate dazu imstande war.
    Ein Rollstuhl wartete auf dem Bürgersteig, als sie am Krankenhaus eintrafen. Sie setzten Nate hinein und folgten dem Pfleger. Die Luft war warm und feucht und noch sehr heiß. Auf den Eingangsstufen zum Krankenhaus rauchten ein Dutzend Schwestern und Helfer in weißer Tracht ihre Zigaretten und unterhielten sich leise miteinander. Das Krankenhaus hatte keine Klimaanlage.
    Der mit Valdir befreundete Arzt war kurz angebunden und kam direkt zur Sache.
    Der Papierkram konnte bis zum nächsten Morgen warten. Sie schoben Nate durch die leere Vorhalle und mehrere Gänge in ein kleines Untersuchungszimmer, wo eine schläfrige Schwester ihn in Empfang nahm. Jevy und der Anwalt sahen aus einer Ecke zu, wie sie und der Arzt den Patienten entkleideten. Dann wusch sie ihn mit alkoholgetränkten weißen Tüchern. Aufmerksam sah sich der Arzt den Ausschlag an, der am Kinn begann und bis zur Hüfte reichte. Nates Haut war von Mückenstichen übersät, von denen er viele aufgekratzt hatte. Sie maßen seine Temperatur, seinen Blutdruck und seinen Puls.
    »Sieht ganz nach Denguefieber aus«, sagte der Arzt nach zehn Minuten. Dann schnurrte er eine Reihe von Anweisungen für die Schwester herunter, die kaum zuhörte, weil sie Erfahrung mit solchen Fällen hatte. Sie machte sich daran, Nate die Haare zu waschen.
    Nate murmelte etwas, doch es betraf keinen der Anwesenden.

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