Das Testament
Empfang tauchten vor der angelehnten Tür auf, und Jevy winkte sie fort. Er schloss ab und nahm die leere Flasche vom Boden auf.
»Es ist Zeit aufzubrechen«, sagte er, bekam aber keinerlei Antwort. Vielleicht sollte er Senhor Ruiz anrufen, der dann den Amerikanern Bescheid geben konnte, die den armen Säufer nach Brasilien geschickt hatten. Vielleicht später.
»Sagen Sie etwas, Nate!« forderte er ihn laut auf.
Er bekam keine Antwort. Falls der Mann nicht bald zu sich kam, würde Jevy einen Arzt rufen. Eineinhalb Flaschen Wodka konnten einen Menschen umbringen.
Vielleicht litt Nate an einer Alkoholvergiftung und musste ins Krankenhaus.
Im Badezimmer tränkte Jevy ein Handtuch mit kaltem Wasser und legte es Nate auf den Nacken. Daraufhin begann dieser zu zucken und öffnete den Mund, als ob er etwas sagen wollte. »Wo bin ich?« knurrte er mit schwerer Zunge. ;
»In Brasilien. In Ihrem Hotelzimmer.«
»Ich lebe also.«
»Mehr oder weniger.«
Jevy wischte mit einer Ecke des Handtuchs Nates über Gesicht und Augen. »Wie fühlen Sie sich?« fragte er.
»Ich möchte sterben«, sagte Nate und griff nach dem Handtuch. Er steckte sich einen Zipfel in den Mund und begann, daran zu saugen.
»Ich hol Ihnen Wasser«, sagte Jevy. Er öffnete den Kühlschrank und nahm eine Flasche Wasser heraus. »Können Sie den Kopf heben?« fragte er.
»Nein«, knurrte Nate.
Jevy tröpfelte Nate Wasser auf Lippen und Zunge. Ein Teil lief ihm über die Wangen ins Handtuch. Es war ihm gleichgültig. Sein Kopf dröhnte, als wolle er bersten, und sein erster Gedanke war, wie zum Teufel er überhaupt wach geworden war.
Er öffnete das rechte Auge einen Spaltbreit. Die Lider des linken Auges waren noch verklebt. Wie ein glühender Strahl fuhr ihm das Tageslicht ins Gehirn, und eine Welle der Übelkeit stieg ihm aus den Knien in die Kehle. Mit überraschender Plötzlichkeit warf er sich herum und erhob sich auf alle viere, als sein Mageninhalt aus ihm hervorbrach.
Jevy sprang beiseite und holte ein weiteres Handtuch. Er blieb eine Weile im Badezimmer, während er sich Nates ersticktes Röcheln anhörte. Auf den Anblick eines nackten Mannes, der sich mitten im Bett auf Händen und Knien die Seele aus dem Leib würgte, konnte er verzichten. Er drehte die Dusche an und stellte die Wassertemperatur ein.
Sein Vertrag mit Senhor Ruiz sah vor, dass er tausend Reais dafür bekam, Mr.
O’Riley ins Pantanal zu bringen, die Person aufzuspüren, die dieser suchte, und ihn wieder in Corumba abzuliefern. Das war gutes Geld, aber er war weder Krankenpfleger noch Kindermädchen. Das Boot war zur Abfahrt bereit. Wenn Nate der Aufforderung mitzukommen nicht folgen konnte, würde sich Jevy um seinen nächsten Auftrag kümmern.
Als das Würgen aufhörte, schleppte er Nate ins Badezimmer und schob ihn unter die Dusche, wo er auf dem Boden zusammensank. »Tut mir leid«, sagte er immer wieder. Jevy ließ ihn liegen, wo er lag. Von ihm aus mochte er ertrinken. Er faltete die Laken zusammen und versuchte die Schweinerei zu beseitigen, dann ging er nach unten, um eine Kanne starken Kaffee zu holen.
Es war fast zwei Uhr, als Welly den Pickup kommen hörte. Der Lärm, den Jevy machte, als er den Wagen an der Uferböschung abstellte, weckte die Fischer. Von dem Amerikaner war nichts zu sehen.
Dann hob jemand irgendwo in der Kabine des Wagens ganz langsam den Kopf. Er hatte sich eine Mütze so tief wie möglich in die Stirn gezogen, und seine Augen lagen hinter einer dunklen Sonnenbrille. Jevy öffnete die Beifahrertür und half Mr. O’Riley, den Fuß auf die Uferfelsen zu setzen. Welly ging zum Wagen und nahm Nates Gepäck vom Rücksitz. Er wollte Mr. O’Riley gern kennenlernen, aber es war ein ungünstiger Zeitpunkt. Es schien dem Mann ziemlich schlecht zu gehen.
Schweiß bedeckte seine bleiche Haut, und er war zu schwach, um allein zu gehen.
Welly folgte den beiden ans Ufer und half Jevy, den Mann über die altersschwache Sperrholzplanke aufs Boot zu bringen. Jevy trug Mr. O’Riley praktisch die Gräting zur Brücke empor und von dort auf das kleine offene Deck, wo er ihn in die wartende Hängematte legte.
Wieder auf dem Unterdeck, ließ Jevy den Motor anlaufen, und Welly holte die Leinen ein. »Was fehlt ihm?« fragte er.
»Er ist betrunken.«
»Aber es ist doch erst zwei Uhr.«
»Er ist schon seit langem betrunken.«
Langsam schob sich die Santa Loura vom Ufer fort und bewegte sich stromaufwärts.
Nate sah, wie Corumba vorüberglitt. Die
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