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Das tibetische Orakel

Titel: Das tibetische Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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durchbrochen, der von seinem Platz auf der Plattform aufstand und beunruhigt zur anderen Seite des Tals starrte.
    »Veeer-flucht!« schrie der amerikanische Manager verzweifelt. Er sprang von der Plattform, lief auf den nächstgelegenen Lastwagen zu und erteilte lautstark die Anweisung, die Bulldozer sollten ihm folgen. An der Tür des Lasters hielt er inne. »Gottverdammte dämliche Scheißarmee!« brüllte er und feuerte jede einzelne Silbe wie einen Kanonenschuß ab. Dann sah er zu den verblüfften Arbeitern und deutete auf den Hang. »Schnell! Schnell! Schnell!« rief er und stieg in das Führerhaus.
    Lin nahm ein Fernglas und schaute verwundert hindurch. Als er es sinken ließ, lag ein ehrfürchtiger Ausdruck auf seinem Gesicht. Er sah Shan an, wirkte für einen Moment sehr traurig, fing sich wieder und sprach hastig mit dem Offizier an seiner Seite. Der Mann hob ein Funksprechgerät und rief schroffe Befehle hinein. Soldaten rannten auf den Bohrturm zu. Lin beugte sich erneut zu dem Offizier. Der Mann zögerte kurz und war sichtlich enttäuscht. Dann sprach er in das Funkgerät. Die Soldaten, die Larkin und die Tibeter bewachten und nur noch hundert Meter entfernt waren, setzten sich von der Kolonne ab. Ihre Gefangenen schienen es gar nicht zu bemerken, denn sie scharten sich jubelnd um Larkin und wiesen zum Hang. Einige von ihnen schwenkten khatas.
    Lin blickte auf das Fernglas in seiner Hand, ging zu Shan und streckte es ihm langsam entgegen.
    Doch Shan benutzte den Feldstecher nicht, um den Ort der Explosion zu betrachten, sondern hielt auf dem Hang verzweifelt nach Somo Ausschau. Falls sie bei dem Felsen geblieben war, würde sie nicht mehr am Leben sein. Er konnte keine Spur von ihr entdecken.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Professor Ma hinter ihm.
    »Die Gottheit hat gesprochen«, sagte Lhandro. Er stand ein Stück neben ihnen und stützte seinen Vater, der mit breitem Lächeln den Hang anstarrte, während Tränen über seine Wangen rannen. Jokar kniete an der Seite des verletzten dobdob , hatte ihm eine Hand auf den Kopf gelegt und sprach leise. Es war merkwürdig, aber Dzopa deutete auf den Yak.
    »Wasser«, sagte Shan von Staunen erfüllt. »Es gab einen unterirdischen Fluß, und nun wurde er freigelegt.«
    Die Worte schienen so einfach, die Tatsachen so unglaublich. Melissa Larkin war es zu keinem Zeitpunkt um den Beifall der geologischen Fachwelt gegangen. Sie und die purbas hatten nach dem verborgenen Fluß gesucht, weil sie hofften, ihn gegen das Ölprojekt einsetzen zu können.
    Lastwagen rasten das Tal hinunter, manche voller Arbeiter, anderen beladen mit Schaufeln, Spitzhacken und Eimern. Wiederum andere holten die Arbeiter ab, die bei der Plattform standen. Die Funktionäre liefen verwirrt umher und erkundigten sich, wann die Feier denn fortgesetzt werden würde. Ganz anders die ehemaligen Weißhemden; sie standen eng beieinander und lauschten erschrocken der Frau auf der Plattform, die mit ausgestrecktem Finger auf Khodrak zeigte und drohend etwas sagte. Als sie fertig war, eilten mehrere seiner einstigen Wachen auf Khodrak zu. Sie schienen dienstbeflissen ihre Reue demonstrieren zu wollen, entwanden ihm den Stab und zerrten ihn zu einem der weißen Geländewagen des Büros.
    »Das Wasser wird genau zum Bohrturm fließen, zum tiefstgelegenen Punkt«, sagte Shan und sah, daß erst Jampa und dann Gyalo zu Jokar kamen. Der dobdob hielt kurz Jokars Arm umklammert und ließ ihn wieder los. Es klang, als würde er schluchzen. Dann stieg der alte Lama mit der Hilfe des Mönchs langsam auf den breiten Rücken des Yaks. Lin schritt zum Rand der Grabungsstelle und tat so, als würde er Lepka und die anderen, die dort saßen, gar nicht bemerken. Shan schaute erneut zu Gyalo und mußte an dessen seltsame Behauptung denken, er, Shan, habe das Rätsel gelöst. Dabei hatte er Lhandro lediglich von dem unerklärlichen Rauschen erzählt, das ihm in der Nähe des ersten Götterfelsens aufgefallen war.
    Gyalo führte Jampa und Jokar den Bergkamm hinauf, was in dem allgemeinen Durcheinander niemandem auffiel.
    Shan wandte sich zur Grabungsstelle um. Tenzin war zwischen den Bäumen verschwunden.
    »Wird ein bißchen Wasser denn etwas Grundlegendes ändern?« fragte Ma.
    Shan blickte zu dem fernen schneebedeckten Gipfel empor. »Nein, es bedeutet bloß eine Verzögerung. Aber es bleibt vielleicht nicht bei ein bißchen Wasser. Das hängt vom Berg ab«, sagte er und erkannte, daß es klang, als würde er von

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