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Das Tibetprojekt

Titel: Das Tibetprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Kahn
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wir vermuten, Himmler suchte nicht nur die biologischen Ursprünge der arischen Rasse im Himalaja.
     Es gibt Hinweise, die uns annehmen lassen, dass Himmler in den tibetischen Klöstern auch nach alten Schriften forschte, die
     eine verschlüsselte indoarische Urreligion enthielten. Himmler glaubte möglicherweise, der tibetische Buddhismus sei nur ein
     späteres Entwicklungsprodukt, eine Abart einer sehr viel älteren und ursprünglichen archaischen Kriegerreligion. Für diesen
     Verdacht wurden allerdings nie Beweise gefunden.«
    Decker hob den Kopf.
Eine Kriegerreligion!
Da stand es schwarz auf weiß. Waren Hitler und Himmler denn völlig verrückt? Nach allem, was Patrick über den tibetischen
     Buddhismus erzählt hatte, gab das doch keinen Sinn. Oder wussten die beiden etwas, was keiner sonst ahnte? Decker musste an
     die Worte Li Mais denken:
Der Dalai Lama hat dem Westen vieles nicht erzählt.

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    Tang las die Meldung noch einmal in Ruhe.
Gespräch mit Paraguay auf gesicherter Leitung. Sprechzeit dreiunddreißig Minuten.
Was hatte das zu bedeuten? Was hatte die deutsche Botschaft in Peking mit diesem rückständigen Land von gerade mal fünf Millionen
     Einwohnern zu tun? Und was war so wichtig, dass man die Leute dort mitten in der Nacht aus dem Schlaf holte?
    Der Botschafter und der Attaché für innere Angelegenheiten waren um neun Uhr morgens mit einer Lufthansa-Maschine aus Frankfurt
     zurückgekommen. Dann, kurz nach 16:30   Uhr, dieser ungewöhnliche Anruf. Der Botschafter war es wohl nicht gewesen, der war vom Flughafen direkt in seine Residenz
     gefahren und schlief sich wahrscheinlich aus. Immerhin war es ihm ja gelungen, diesen Decker zu überzeugen, obwohl Li Mai
     kräftig nachhelfen musste.
    Blieb Stahlmann. Hatte der in Paraguay angerufen? Oder war es eine Privatgeschichte? Hatte irgendeine Sekretärin in der Botschaft
     einen heißblütigen Gaucho als Lover?
    Aus irgendeinem Grund mochte Tang das nicht glauben.
    Er klappte seinen Laptop auf und googelte »Deutschland – Paraguay«.
Freundschaftliche Beziehungen,
las er |113| da.
Es leben zehntausend Deutsche und hundertdreißigtausend Deutschstämmige in der südamerikanischen Republik.
Schön und gut, aber war das schon alles? Natürlich nicht:
Präsident Stroessner soll zahlreichen aus Deutschland geflüchteten Nazis Asyl gewährt haben.
    Das war es! Irgendjemand in der deutschen Botschaft hatte kurz nach der Rückkehr von Stahlmann und Wittenstein in Paraguay
     angerufen. Das konnte nur eins bedeuten: Es gab einen Maulwurf! Irgendjemand in der deutschen Botschaft hielt mit den ehemaligen
     Nazis Kontakt. Irgendjemand in der deutschen Botschaft war einer von denen!
    Und ich habe es nicht gewusst, dachte Tang.
    Und damit der Vorsitzende auch nicht.
    Unfassbar. Dadurch konnte alles außer Kontrolle geraten. Zumal nicht klar war, was dort besprochen oder sogar beschlossen
     wurde. Wenn man diesen verdammten Scrambler nur knacken könnte. Der Kommandant des chinesischen Geheimdienstes sah sich schon
     im Arbeitslager. Er musste sich etwas einfallen lassen.
     
    Gunther Göritz saß im Flugzeug nach China und dachte an den vor ihm liegenden Auftrag. Er war der Mann fürs Grobe und er war
     stolz darauf, denn er gehörte zu den Eingeweihten.
    Es war viel über die geflohenen Nazigrößen berichtet worden. Namen wie die Organisation Odessa tauchten überall auf. Gib der
     Presse Futter, das lenkt sie ab, dachte er. So wie man ein Rind zur Ablenkung opfern musste, wenn man die Herde ein Stück
     weiter weg durch einen Fluss mit Piranhas treiben wollte. Manche von den Alten wurden gefasst. Manche wurden noch immer vom
     Mossad gesucht. Viele glaubten, der sagenhafte verschwundene |114| Nazischatz sei das letzte ungelöste Rätsel. Aber niemand war bisher auch nur auf die Idee gekommen, was sie wirklich verborgen
     hielten.
    In all den Jahren, in denen seine Vorgänger und er nun schon diese Kommandoaktionen durchführten, hatten sie noch nie jemand
     ausschalten müssen. Ein Historiker hatte sogar einmal die richtigen Orte und Namen gefunden und die Lösung lag praktisch auf
     dem Tisch. Aber er hatte es zu seinem Glück nicht erkannt. Weil ihm einfach die nötige Fantasie fehlte. Deswegen war er auch
     noch am Leben. Dieser Decker allerdings war möglicherweise jetzt schon zu nahe dran. Stahlmann jedenfalls schien überzeugt,
     dass man ihn würde ausschalten müssen. Und deshalb war Göritz jetzt auf dem Weg.

|115| Zweiter

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