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Das Tibetprojekt

Titel: Das Tibetprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Kahn
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Foto vertauschen, ohne gleichzeitig die
     Daumen auf der |128| falschen Seite zu haben? Er drehte das Foto ratlos herum.
    Links.
    Rechts.
    Auf den Kopf.
    Nichts. Aber es muss eine Lösung geben. Dann, wie um sich selbst mit dem Gedanken zu amüsieren, die Lösung stünde vielleicht
     auf der Rückseite, drehte er es herum. Nichts. Aber in diesem Augenblick der Drehung, genau als er es hochkant hielt, fiel
     das Sonnenlicht durch das Kabinenfenster und machte das Foto durchscheinend. Decker wurde es ganz anders. Sollte etwa   ...
    Er hielt das Foto ans Fenster, die Vorderseite nach draußen. Das Licht der Sonne war so stark genug, um das Bild auch auf
     der Rückseite klar und deutlich abzubilden. Er ging ganz dicht ran, so als wolle er die Erkenntnis nicht zulassen.
    Die Knöpfe.
    Der Daumen.
    Mein Gott, jetzt stimmt es.
    Das Foto zeigte in Wirklichkeit die rechte und nicht die linke Hand des Professors.
    Es war spiegelverkehrt. Das konnte kein Irrtum sein. Jemand hatte das Foto manipuliert. Und es wäre auch keinem Menschen je
     aufgefallen, weil diese äußerst ungewöhnliche Spezialuhr des Professors gerade durch die Spiegelung erst wie jede andere ganz
     normale Uhr aussah. Hinzu kam, dass diese Uhr keine großen Zahlen im Zifferblatt hatte, die den Trick verraten hätten. Und
     das Foto war leicht unscharf, sodass man die kleinen Zahlen in der Lunette am Rand nicht erkennen konnte. Niemand hatte also
     Verdacht geschöpft. Offensichtlich auch nicht der deutsche Botschafter.
    |129| Decker starrte auf das Foto, wie um sich noch einmal zu vergewissern. Kein Zweifel.
    Dann bemerkte er noch eine Abweichung. Noch etwas war nun nicht mehr wie vorher: Das Hakenkreuz hatte sich verändert. Es drehte
     sich in der anderen Richtung! Was hatte das zu bedeuten?
    Decker warf einen Blick zu Li Mai, aber die Agentin war nicht mehr da. Nicht gerade sehr nett. Sie waren jetzt sicher schon
     über Polen. Mal sehen, ob die Geräte tatsächlich alle auch hier funktionierten.
    Decker griff zum Telefon. Er hatte sofort eine Leitung. Er wählte die Nummer eines befreundeten Asienspezialisten an der Sorbonne.
     Nach ein paar lockeren Begrüßungssätzen kam er zur Sache: »Darf ich Ihnen eine dumme Frage stellen, Professor Lapin? Ich habe
     da ein ziemlich dringendes Problem: Können Sie mir etwas über das Hakenkreuz sagen?«
    »Meinen Sie das von den Nazis? Oder das andere?«
    »Welches andere?«
    Lapin überlegte einen Moment. »Nun ja, das Hakenkreuz ist eines der ältesten Symbole der Menschheit. Es ist eigentlich gar
     kein Kreuz, sondern ein laufendes Sonnenrad, und es findet sich erstaunlicherweise in vielen Kulturen der Welt. Haben Sie E-Mail ? Dann schicke ich Ihnen eben mal was.«
    Ein paar Minuten später hatte Decker ein Foto auf seinem Bildschirm. »Sehen Sie?«, sagte Lapin. »Diese Buddhastatue zum Beispiel
     trägt eins auf der Brust. Das Hakenkreuz hat die weiteste Verbreitung in Indien. Dort heißt es Swastika, das ›Heilbringende‹.«
    »Merkwürdig«, sagte Decker, »ausgerechnet Buddha mit dem Symbol der Nazis zu sehen.«
    »Die Nazis haben dem Symbol leider nur zu einer |130| traurigen Berühmtheit verholfen. Sie sind schuld daran, dass es heute vor allem im Westen geächtet ist. Aber früher war es
     weit verbreitet und im Osten kennen noch viele seine Bedeutung. Kennen Sie zum Beispiel die chinesischen Falung-Gong? Die
     haben ein Hakenkreuz als Emblem. Denn das Hakenkreuz im Kreis heißt auf Chinesisch:
Sonne.
«
    »Es wird noch verwendet?«
    »Ja, aber Sie müssen genau hinsehen. Das, was Sie vor sich haben, ist nicht das N S-Symbol . Es gibt das Hakenkreuz in zwei Varianten. Das Symbol der Nazis war das linksherum drehende. Das auf der Buddha-Statue dreht
     rechts herum.«
    »Rechts?«
    »Im Uhrzeigersinn. Das ist das originale und richtige Hakenkreuz.«
    Decker lachte: »Dann ist Adolf Hitler wohl ein Fehler unterlaufen?«
    Lapin lachte nicht. Er schwieg stattdessen und sagte schließlich: »Im Gegenteil.«
    »Ich verstehe nicht. Sie haben es doch anscheinend falsch herum auf ihre Fahnen und Abzeichen gemalt«, sagte Decker.
    »Eben nicht. Die Drehrichtung ist der entscheidende Unterschied.«
    »Unterschied zwischen was?«
    »Es gibt beide Varianten. Aber niemand in Indien würde es wagen, eine Buddhastatue mit der Variante der Nazis zu schmücken.
     Linksdrehend und rechtsdrehend ist bei diesem Symbol ein wichtiger Unterschied. Rechtsdrehend bedeutet im weitesten Sinne
     Erschaffung und Leben.

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