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Das Titanic-Attentat

Das Titanic-Attentat

Titel: Das Titanic-Attentat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Wisnewski
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die Astors. Das Ehepaar Astor kam von einer langen Hochzeitsreise zurück. Astors junge Gattin Madeleine war in anderen Umständen. Daher blieb Astor auch in der Nähe und half Lightoller, die Frauen und Kinder an Bord von Boot Nr. 4 zu bringen. Anschließend fragte er, ob er nun ebenfalls zusteigen könne, »da das Boot nicht einmal zu zwei Dritteln gefüllt sei, doch der Offizier blieb hart: Nur Frauen und Kinder.« [177]
     
    Da haben wir es wieder: Es hieß also nicht »Das Boot ist voll« oder »Das Boot kann nicht mehr Insassen tragen«. Es hieß auch nicht etwa »Frauen und Kinder zuerst«, sondern »Nur Frauen und Kinder«. Und das ist ein wichtiger Unterschied. Denn das heißt übersetzt: Männer auf keinen Fall. Dass dies kein Missverständnis oder Hörfehler einiger Zeugen war, kommt darin zum Ausdruck, dass jede Menge Boote lieber nur zur Hälfte oder drei Vierteln besetzt gefiert wurden, als auch nur einen Mann an Bord zu lassen. Oder einen Mann zu viel. Von »Frauen und Kinder zuerst« oder einem Dienst an den Frauen konnte in Wirklichkeit gar keine Rede sein – denn worin bestand der Dienst an einer frisch gebackenen, schwangeren Ehefrau, sie von ihrem Mann »zu befreien«? Mit Ritterlichkeit hatte das überhaupt nichts zu tun. Auf der gegenüberliegenden (Steuerbord-)Seite wurden insgesamt 16 Ehepaare mit Kind und Kegel in die Boote gelassen, auf der Backbordseite kein einziges. Hier wurden Männer konsequent von ihren Frauen getrennt.
    Nicht doch, verteidigte vor der amerikanischen Untersuchungskommission der erwähnte Archibald Gracie, der mit Lightoller später im selben Rettungsboot (Klappboot B) überlebt hatte, den Zweiten Offizier. Archibald Gracie IV war ein 54 Jahre alter strammer Militär aus einer wohlhabenden New Yorker Familie und Absolvent der Militärakademie von West Point. Seine Vorfahren waren die Erbauer von Gracie Mansion, noch heute die Residenz des Bürgermeisters von New York. Gracie stand der Mannschaft der
Titanic
nahe. Auf der Fahrt von New York nach Europa auf der
Oceanic
hatte er sich mit Herbert Pitman angefreundet, der jetzt als Dritter Offizier auf der
Titanic
fuhr und das Desaster – genau wie Lightoller und Gracie – ebenfalls überlebte. Lightoller, so Gracie vor der US -Kommission, habe gar nicht gewusst, dass es sich bei dem Anwärter um einen Platz in Boot Nr. 4 um John Jacob Astor gehandelt habe.
    Das ist jedoch sehr unwahrscheinlich: John Jacob Astor gehörte nicht nur zu den reichsten und bekanntesten Männern der Welt, sondern war auch der reichste Mann an Bord. Oder würde man es heute dem Offizier eines Luxusdampfers glauben, dass er es nicht merken würde, wenn Bill Gates neben ihm stünde? Zusammen mit seiner Frau bewohnte er an Backbord eine der luxuriösesten Unterkünfte des Schiffes. Normalerweise wissen insbesondere die hohen Offiziere eines Schiffes sehr gut über die » VIP s« an Bord Bescheid – zumal bei einer Jungfernfahrt, bei der die »Promis« an Bord besonders wichtig sind, weil sie mit ihrer Anwesenheit die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Schiff lenken und um Vertrauen für den neuen Ozeanriesen werben. Normalerweise ist das Wohlergehen dieser Leute extrem wichtig für die Reputation einer Reederei oder eines Schiffes.
    Darüber hinaus war die Heirat des 47-jährigen geschiedenen Astor mit der 18-jährigen Madeleine
der
Gesprächsstoff der US -High-Society. Fotos der Astors waren damals in jeder Zeitung zu sehen. Aber der Zweite Offizier der
Titanic
will Astor nicht gekannt haben? Wegen Madeleines Zustand reisten die Astors mit einer eigenen Krankenschwester, die vor Lightollers Augen zusammen mit Madeleine das Boot Nr. 4 bestieg. Und schließlich war Madeleine bereits im fünften Monat, was einem Beobachter beim Einsteigen wohl kaum entgangen sein kann.
    Kein Hahn kräht nach J. J. Astor
    Immerhin räumte auch Gracie ein, Astor habe Lightoller gefragt, ob er an Bord kommen dürfe, »um seine Frau zu beschützen« (»to protect his wife«). Lightoller habe geantwortet »Kein Mann darf an Bord dieses oder eines anderen Bootes kommen, bevor die Frauen von Bord sind« (»until the ladies are off«). Von Bord? Also
an
Bord der Rettungsboote? Das konnte jedoch nicht gemeint sein, denn in diesem Sinne waren »die Ladies« ja bereits von Bord der
Titanic
. An Backbord ließ Lightoller die Männer auch dann nicht einsteigen, wenn gar keine Frauen und Kinder mehr in der Nähe waren. Stattdessen ließ er die Rettungsboote lieber mit

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