Das Todeskreuz
geöffnet. Sie
gingen in den dritten Stock, wo Inge Kröger mit einer Zigarette
in der Rechten am Geländer stand.
»Tag«, sagte Brandt, »dürfen wir eintreten?«
»Mein Sohn ist im Wohnzimmer, er erwartet Sie.«
»Wir würden gern mit ihm allein sprechen«, meinte Brandt.
»Natürlich, ich muss sowieso was in der Küche machen.«
Heiko Kröger, ein hochaufgeschossener Mann, den Durant älter
als achtundzwanzig geschätzt hätte, kam ihnen entgegen. Er
trug eine Jeans und einen dünnen Pullover. Er wirkte sehr ernst,
als er erst Durant, dann Brandt die Hand reichte und die Beamten
mit seinen stahlblauen Augen kritisch musterte.
»Nehmen Sie Platz«, sagte er und deutete auf die Couch.
»Meine Mutter hat mir Ihr Kommen schon angekündigt und auch
stichpunktartig erklärt, um was es geht.«
»Umso einfacher für uns. Wir möchten eigentlich nur Ihre
Version der damaligen Vorgänge hören«, sagte Brandt. »Sie haben
sehr an Ihrer Schwester gehangen ...«
Heiko Kröger beugte sich nach vorn und sagte ziemlich ungehalten:
»Hören Sie, Laura war die beste Schwester, die man
sich wünschen kann. Und jetzt kommen Sie bitte auf den
Punkt. Was wollen Sie? Wissen, ob ich noch immer meinen
Hass mit mir rumtrage? Ja, tu ich, auch nach über zehn Jahren.
Da ist irgendeine Sauerei abgelaufen, aber ich weiß nicht, welche.
«
»Und wie kommen Sie darauf?«
»Wir haben fast überhaupt keine Informationen erhalten, das
ist doch nicht normal. Wann und wen von den zuständigen Beamten
wir auch immer gefragt haben, wir haben immer nur leere
Phrasen zu hören bekommen ...«
»Das wissen wir bereits. Uns interessiert, woher Sie die Informationen
hatten, die sie später ins Internet gestellt haben.«
»Das hat Ihnen meine Mutter also erzählt. Okay, ich habe
recherchiert, denn ich wollte wissen, was nach Lauras Tod
wirklich passiert ist.« Er zuckte mit den Schultern und fuhr
nach einigem Überlegen fort: »Und bei diesen Recherchen
habe ich mehr zufällig erfahren, dass die drei Typen, die zwei
Monate nach der Ermordung meiner Schwester verhaftet wurden,
allesamt aus besten Häusern stammen und die zuständige
Staatsanwältin zumindest einen der Väter persönlich kannte.
Da hab ich einfach mal meine Finger genommen und eins
und eins zusammengezählt, und da wurde mir so einiges klar,
glaubte ich zumindest. Ich war mir ziemlich sicher, dass die
drei für Lauras Tod verantwortlich waren, und nicht nur für
ihren Tod, sondern auch für den von Herrn Guttenhofer.« Er
zuckte wieder mit den Schultern und meinte nachdenklich:
»Ganz ehrlich, heute bin ich nicht mehr wirklich überzeugt,
denn ich habe und hatte nie auch nur die geringsten Beweise,
alles basierte lediglich auf Vermutungen oder bestenfalls Indizien.
Aber in meiner Wut und Verzweiflung hab ich die Seite
ins Netz gestellt und auch Namen genannt. Das war ein Fehler,
ich hätte das wissen müssen, denn als angehender Jurist
lernt man schon früh im Studium, dass Verleumdung ein ziemlich
gravierender Straftatbestand ist und mit Gefängnis bis zu
fünf Jahren bestraft werden kann. Also hab ich die Seite verändert
...«
»Nachdem zwei Beamte vor Ihrer Tür standen und Ihnen
drohten«, wurde er erneut von Brandt unterbrochen.
»Die hätten mich auch aufs Präsidium mitnehmen oder gleich
verhaften können, sie haben's aber nicht getan.«
»Aber die Seite existiert noch, oder?«
»Schon, doch ich werd sie demnächst rausnehmen, guckt eh
kein Mensch drauf. Wissen Sie, das ist alles Schnee von gestern.
Ich habe keine Beweise für das, was ich vermute, und Spekulationen
bringen mich auch nicht weiter. Und irgendwann muss
man die Vergangenheit abhaken, so schwer es auch fällt.«
»Wann haben Sie denn die Seite ins Netz gestellt, und wann
standen die Beamten vor der Tür?«, wollte Brandt wissen.
»Vor etwa drei Jahren haben wir die Seite gestaltet, und ein
paar Monate später wurden wir aufgefordert, sie umgehend zu
entfernen. Uns wurden auch die rechtlichen Konsequenzen vor
Augen geführt.«
»Ihnen, Herrn Hohl und Frau Guttenhofer?«
»Warum sind Sie eigentlich hier, wenn Sie sowieso schon alles
wissen? Ja, wir haben uns damals zusammengetan und die
Seite gestaltet. Heute würd ich's nicht mehr tun.«
»Sie tragen immer noch Hass in sich und wollen uns weismachen,
dass Sie es nicht mehr tun würden. Irgendwie kauf ich Ihnen
das nicht ab.«
»Dazu zwingt Sie keiner«, entgegnete Heiko Kröger lässig,
fast
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