Das Todeskreuz
liebsten
würde ich mir die Kante geben, wie man so schön sagt.«
»Nein, würdest du nicht. Pass auf, ich fahr auch schnell nach
Hause, ich könnte nämlich auch eine Dusche und frische Wäsche
vertragen.«
»Naja, eine Rasur würde auch nicht schaden«, unterbrach ihn
Elvira mit einem dezenten Lächeln.
»Hatte ich sowieso vor. Ich bin so in etwa einer Stunde bei dir.
Wir müssen auch nicht unbedingt zum Spanier gehen, in Frankfurt
gibt's doch sicherlich ein oder zwei einigermaßen passable
Restaurants, oder?«
Sie wiegte den Kopf hin und her und meinte: »Naja, ein oder
zwei. Wir werden schon was Passendes finden.«
Sie fuhren vom Hof. Zu Hause angekommen, leerte Brandt
den Briefkasten, darin zwei Rechnungen, die von seinem Konto
abgebucht wurden, und ein dicker weißer Umschlag, auf
dem mit der Hand geschrieben nur sein Name stand. Er kannte
die Schrift und war gespannt auf den Inhalt, würde ihn jedoch
nicht jetzt lesen, sondern den Umschlag in eine Schublade
legen und diese abschließen. Er ging nach oben, fand
einen Zettel von Sarah, dass sie bis zehn bei einer Freundin
bleibe. Sie hatte ausnahmsweise auch den Namen und die
Adresse der Freundin dazugeschrieben, was aber nicht unbedingt
bedeuten musste, dass sie auch bei dieser Freundin war.
Michelle hatte ebenfalls eine kurze Notiz hinterlassen, wonach
sie zwischen acht und neun heimkommen werde. Ein kurzer
Anruf bei seinen Eltern, Michelle war seit ein paar Minuten
bei ihnen, um dort zu Abend zu essen. Er sprach mit ihr und
sagte, dass er nicht genau wisse, wann er heimkomme. Es könne
auch sein, dass er wieder die Nacht durcharbeiten müsse.
»Ja, ja«, war die knappe Antwort von Michelle, und es klang,
als würde sie ahnen, was ihr Vater wirklich vorhatte. Nach dem
Telefonat legte er den Umschlag mit seinem Namen in die
abschließbare Schublade. Irgendwann, wenn er die Muse und
auch die Nerven dafür hatte, würde er den Brief lesen, der aus
mindestens vier Seiten bestand, so fühlte er sich wenigstens
an. Brandt konnte sich denken, was sie ihm geschrieben hatte.
Lieber schreiben statt reden, dachte er. Hätte ich wahrscheinlich
genauso gemacht.
Er stellte sich unter die Dusche und war nach einer halben
Stunde fertig. Er hatte sich frische Sachen angezogen und war
bereit für einen gemütlichen Abend. Vorausgesetzt, es kam nichts
dazwischen. Doch er hatte sich schon so oft auf einen gemütlichen
Abend gefreut, und dann klingelte das Telefon oder das
Handy und er wurde zu einem Einsatz gerufen. Immer dann,
wenn es so gar nicht passte. Aber nicht heute, dachte er und ging
nach unten.
Mittwoch, 18.55 Uhr
Auf der Fahrt nach Frankfurt dachte Julia Durant über
den vergangenen Tag nach und stellte fest, dass er zu den erfolgreichsten
ihrer Karriere gehörte. Ein Fall, der längst zu den Akten
gelegt war, die irgendwo verstaubten und um die sich keiner
mehr gekümmert hätte, wäre nicht, wie schon häufiger, Kommissar
Zufall zu Hilfe geeilt. Kommissar Zufall in Form von mindestens
einem Todesengel, der erst Corinna Sittler, dann Bernd
Buchmann und schließlich Jörg Hoffmann ins Jenseits befördert
hatte. Und nicht zu vergessen jener geheimnisvolle Informant,
der Berger die wertvollen Unterlagen übergeben hatte, ohne die
Möller, Gebhardt und Reiter noch immer auf freiem Fuß wären.
Alles hatte bis jetzt gestimmt, es fehlten nur noch der oder die
Mörder von Sittler, Buchmann und Hoffmann. Aber sie war sicher,
auch diesen Fall zu lösen, der für sie untrennbar mit dem
andern verbunden war, auch wenn es vielleicht noch eine winzige
Unsicherheit gab, doch die Wahrscheinlichkeit lag ihrer
Meinung nach bei eins zu einer Million. Sie hatte das Radio eingeschaltet,
FFH. Der Wetterbericht und die Staumeldungen wurden
verlesen, anschließend spielten sie einen Song aus dem neuesten
Album von den Red Hot Chili Peppers, das bald erscheinen
würde. Durant ging in Gedanken alle Namen durch, die ihr einfielen,
Matthias Mahler, der bekannte Moderator und Lebensgefährte von Leslie Sittler. Alina Cornelius, die überaus attraktive
und intelligente Psychologin und Hausdame, Gesellschafterin
und Gespielin von Corinna Sittler. Inge und Heiko Kröger, Mutter
und Bruder von Laura Kröger. Und Tobias Hohl, der ehemalige
Verlobte von Laura, den sie gleich besuchen würde. Außerdem
standen für Befragungen noch die Angehörigen von Peter
Guttenhofer auf der Liste und die Verlobte von Heiko Kröger.
Weitere Kostenlose Bücher