Das Todeskreuz
Schwarzarbeiter,
die zum damaligen Zeitpunkt für einen Hungerlohn
dieses Haus hochgezogen hatten. Wahrscheinlich Polen, die sich
noch vor zehn Jahren für drei oder vier Mark die Stunde den
Buckel krumm schufteten, um mit dem Geld ihre Familien in der
Heimat zu ernähren. Heute war das nicht mehr möglich, sie arbeiteten
zwar immer noch für weniger Geld als die Deutschen,
aber unter zehn Euro Stundenlohn lief auch bei den Polen nichts
mehr.
Um Viertel nach zwölf zog sie die Haustür hinter sich ins
Schloss und klebte ein frisches Polizeisiegel an Tür und Rahmen.
Sie hatte Hunger und würde bei einem Thailänder in der Nordweststadt,
einem der sozialen Brennpunkte Frankfurts, einkehren,
ein Lokal, das sie seit ein paar Monaten kannte, etwas essen
und trinken und, sollte Brandt sich nicht melden, allein zu Thomas
Gebhardt nach Bonames fahren. Es sei denn, sie erhielt vorher
noch die Adressen der Angehörigen von Laura Kröger und
Peter Guttenhofer. Sie befand sich auf halber Strecke, als ihr
Handy klingelte. Berger. Sie fuhr an den Straßenrand und notierte,
was Berger ihr durchsagte. Also nicht nach Bonames, sondern
erst nach Bockenheim zu den Eltern von Laura Kröger. Hoffentlich
treff ich jemanden an. Aber vorher ess ich noch 'ne Kleinigkeit.
Dienstag, 13.35 Uhr
Peter Brandt hatte mit Bernhard Spitzer und Nicole Eberl,
die kurz vor ihm aus dem Haus der Buchmanns ins Präsidium
zurückgekehrt war, über seinen Besuch bei Elvira Klein gesprochen.
Spitzer hatte aufmerksam zugehört, wie so oft zurückgelehnt,
in der Hand einen Stift, den er zwischen den Fingern
drehte. Zu keiner Zeit unterbrach er oder Eberl ihn, doch am
Ende von Brandts Schilderung sagte er sichtlich fassungslos:
»Das ist ein Hammer. Ausgerechnet der Vater der Klein. Und sie
hat dich nicht rausgeworfen oder ...«
Brandt schüttelte den Kopf.
»Das ist doch für sie wie ein Weltuntergang. Ihr Heiligtum
wurde zerstört.«
»Jetzt mach mal halblang, sie wird sich auch wieder fangen«,
sagte Brandt. »Ich hoffe nur inständig, dass sie bald mit ihm
spricht, denn würde er schon vorher von unseren Ermittlungen
erfahren, würde er sich hundertpro sofort mit seinen Gesinnungsgenossen
in Verbindung setzen, um unsere Ermittlungen zu torpedieren.
Und das käme einer halben Katastrophe gleich.«
»Und du meinst wirklich, auf die Klein ist Verlass? Ich könnte
mir vorstellen, dass ihr die Familie immer noch mehr wert ist als
der Beruf. Sie hat doch nur ihre Eltern und sonst niemanden,
wenn ich recht informiert bin.«
Brandt, der sich einen Kaffee geholt hatte, um so seine Müdigkeit
zu bekämpfen, schüttelte erneut den Kopf. »Du hast sie
vorhin nicht gesehen, sie war völlig fertig. Außerdem glaube ich
sie inzwischen ganz gut zu kennen, sie ist Staatsanwältin mit
Leib und Seele und würde ihre Seele ganz bestimmt nicht an den
Teufel verkaufen. Aber warten wir's einfach ab, es bleibt uns sowieso
nichts anderes übrig.«
»Ich gebe Peter recht«, warf Eberl ein, die sich ebenfalls einen
Kaffee holte. »Die Klein hat uns zwar in der Vergangenheit schon
einige Schwierigkeiten gemacht, doch wenn's darauf ankam,
stand sie auf unserer Seite. Aber mal was anderes: Du willst also
tatsächlich mit der Durant zusammenarbeiten. Mit einer Frankfurterin?
« Bei den letzten Worten überzog ein breites Grinsen ihr
Gesicht, doch Brandt blieb stoisch ruhig.
»Sie ist keine Frankfurterin, sie arbeitet nur dort, genau wie
Andrea. Hat sie sich übrigens schon wegen Buchmann gemeldet?
«
»Als du weg warst, hat sie mir kurz telefonisch ein paar Details
durchgegeben. Liest sich nicht besonders spannend. Betäubt
mit K.-o.-Tropfen, Todesursache ein einziger gezielter Stich ins
Herz. Sonst keine weiteren Verletzungen, das eingeritzte Kreuz
ausgenommen.«
»Hat sie gesagt, dass ich sie anrufen soll?«, fragte Brandt wie
beiläufig.
»Nein.«
Er hatte es geahnt. Andrea Sievers hatte sich schon am Morgen sehr seltsam verhalten. Sie wollte nicht mit ihm frühstücken,
sie hatte sich auch nicht im Bad fertiggemacht, sondern nur
angezogen, ihm nicht mal einen Kuss auf die Wange gehaucht,
sondern ihm nur zugewunken und ein »Tschüs« hingeworfen,
bevor sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. Sie hatte sich in
den vergangenen Monaten immer rarer gemacht, die Besuche
bei ihm oder er bei ihr fanden nur noch sporadisch statt, selbst
die Telefonate wurden seltener, bisweilen vergingen Tage, bis
sie
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