Das Todeswrack
seiner Komplizen zu erregen. Jemand rief eine Antwort, und die Lichtpunkte bewegten sich langsam auf sie zu.
Gamay konnte es nicht glauben! Nach allem, was sie durchgemacht hatten! Wie Maulwürfe waren sie unter der Erde herumgekrochen, und jetzt wurden sie nach ein paar Minuten erwischt, als wären sie Wild, das von einer Reihe Treibern aufgescheucht worden war. Am liebsten wäre sie einfach zu diesem Scheißkerl rübergegangen und hätte ihm die Waffe aus den Händen gerissen. Chi musste gespürt haben, wie aufgewühlt sie war.
»Tun Sie, was er sagt. Keine Angst.«
Chi machte einen Schritt zur Seite und betrat einen Pfad.
Gelbzahn rief einen Befehl.
Der Professor ignorierte ihn und ging langsam und gleichmäßig weiter. Gelbzahn zögerte. Das hier war nicht vorgesehen. Wenn er mit einer Waffe herumfuchtelte, hatten die Leute gefälligst seinen Anweisungen zu gehorchen. Er warf einen kurzen Blick auf Gamay, um sich zu überzeugen, dass sie eingeschüchtert genug war, um an Ort und Stelle zu bleiben.
Dann lief er Chi hinterher und brüllte fortwährend auf Spanisch.
Chi blieb stehen, trat aber vorher erst auf das Gras neben dem Pfad. Dort kniete er sich bettelnd nieder und streckte die Hände hoch in die Luft.
Das war schon besser. Offene Schwäche wirkte auf Gelbzahn wie frisches Blut auf ein hungriges Raubtier. Mit wütendem Knurren stürzte er durchs Gras und hob das Gewehr, um Chi mit dem Kolben den Schädel einzuschlagen. Dann verschwand er.
Die Taschenlampe segelte in hohem Bogen durch die Luft und landete im Gras. Man hörte einen überraschten Aufschrei, einen lauten Aufprall, und dann herrschte Stille.
Chi nahm die Taschenlampe und leuchtete nach unten. Als Gamay näher kam, warnte er sie: »Vorsichtig. Gleich rechts neben Ihnen ist noch ein Loch.«
Gelbzahn war durch eine runde Öffnung gestürzt und lag jetzt auf dem Grund eines kuppelförmigen Raums mit weiß verputzten Wänden.
»Zisternen«, sagte Chi. »Sie haben gesehen, wie schwer es war, in dieser Gegend etwas zu trinken zu bekommen. Die Leute aus der Stadt haben ihr Wasser in diesen Kammern gespeichert.
Ich habe sie nach Möglichkeit alle markiert. Ich schätze, er hat das hier übersehen.« Er wies auf ein schmales orangefarbenes Band, das an einen Busch geknotet war.
»Lassen Sie ihn einfach da liegen?«
Chi wandte sich um und schaute zu den sich nähernden Glühwürmchen.
»Wir haben kaum eine andere Wahl. Es macht Ihnen doch nichts aus, oder?«
Gamay dachte an die lange schwierige Klettertour in dem
cenote.
»Ich hätte ganz gern meine Uhr zurück. Aber um ehrlich zu sein, nein, er ist mir völlig egal. Mal sehen, wie es
ihm
gefällt, in so einem Mauseloch zu stecken.«
»Wir müssen Richtung Fluss. Es ist der einzige Weg.«
Sie liefen auf den Wald zu.
Man hatte sie entdeckt. Schüsse peitschten durch die Nacht.
Sie liefen schneller.
21.
Arlington, Virginia
José »Joe« Zavala wohnte außerhalb Washingtons in einem kleinen Haus in Arlington, das einst eine Stadtteilbücherei beherbergt hatte. Seine Wohnung im Erdgeschoss war im Stil des amerikanischen Südwestens möbliert, und viele der Einrichtungsgegenstände stammten aus der Werkstatt seines Vaters. Joe mochte das Dekor wegen der warmen Farben, und es war zugleich eine Erinnerung daran, wie weit er es gebracht hatte, gemessen an den bescheidenen Verhältnissen seines Elternhauses.
Seine Eltern, beide geboren und aufgewachsen in Morales, Mexiko, hatten Ende der sechziger Jahre westlich von El Paso den Rio Grande durchwatet. Seine Mutter war damals im siebten Monat schwanger gewesen. Sie und ihr Mann, ein Möbeltischler, ließen sich in Santa Fe, New Mexico, nieder.
Dort wurde José schließlich geboren und großgezogen. Er erlag den Verlockungen der See und verließ seine gebirgige Wüstenheimat. Zavala verfügte über ein nahezu geniales Technikverständnis, und nach einem Ingenieurabschluss am New York Maritime College wurde er direkt von Admiral Sandecker angeworben.
Austin hatte vorgeschlagen, sich bei Zavala zu treffen, um ein wenig Ruhe vor der Achtung gebietenden Atmosphäre der NUMA-Zentrale und den Anforderungen ihres Leiters zu haben.
Am Abend zuvor hatte er die unangenehme Aufgabe übernommen, Sandecker telefonisch vom Fehlschlag des Hinterhalts zu unterrichten. Sandecker riet ihm, erst einmal auszuschlafen und dann so schnell wie möglich nach Washington zurückzukehren. Austin und die anderen mieteten sich für eine Nacht in einem Motel nahe des
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