Das Todeswrack
waren die Arbeiter, die das Beutegut freilegten, und die Lastesel, die es transportierten. Das hier mussten die Wachen sein. Der dritte Mann erteilte den anderen einen schroffen Befehl. Sie bedeuteten Gamay und Chi mit ihren Waffen, auf einem Pfad voranzugehen, der von dem Steinbruch wegführte.
Einige Minuten lang gingen sie durch den Wald. Dann erreichten sie eine Stelle, an der man Bäume und Unterholz weggehackt hatte, um Platz für einen verbeulten und schlammbespritzten GMC Pickup mit Allradantrieb zu schaffen.
Die Tür einer kleinen Hütte stand offen und gestattete einen Blick auf die ölverschmierten Werkzeuge, die dort hingen. Ein Mann arbeitete an dem Motor des Wagens. Als er die anderen näher kommen hörte, trat er von der offenen Motorhaube zurück. Er war ein magerer, wachshäutiger Mann, dessen struppiger schmaler Bart ihn wie ein armseliges Teufelchen aussehen ließ. Er und der Anführer der Wachen sprachen miteinander. Auch ohne ein Wort Spanisch zu verstehen, erkannte Gamay, dass der Mechaniker der Chef der Gruppe war.
Er richtete eine Frage an Chi, der erneut so tat, als wäre er ein unterwürfiger Tagelöhner. Sie wechselten ein paar Worte, dann runzelte der Mann die Stirn und schüttelte den Kopf. Seine Miene verriet, dass er genug gehört hatte. Erleichtert stellte Gamay fest, dass niemand hier sie lüstern anstarrte und ihr im Gegensatz zu den früheren Begegnungen keine Vergewaltigung zu drohen schien. Allerdings empfand sie es nicht als sonderlich beruhigend, dass der Mann während der gesamten Unterredung mit Chi die Hand auf dem Pistolengriff behielt. Der Fremde dachte kurz nach, stieg in das Führerhaus des Wagens und sprach leise mit jemandem, dessen Stimme krächzend aus einem Funkgerät ertönte. Das Gespräch verlief stellenweise hitzig, aber der Mechaniker lächelte, als er zurückkam und den Wachen einen Befehl erteilte. Sie packten Gamay und Chi und stießen sie hinter dem Wagen unsanft zu Boden. Dann fesselten sie ihnen die Füße und banden ihre Arme an der Stoßstange fest.
»Was hat er gesagt?«, fragte Gamay, nachdem man sie allein gelassen hatte.
»Ich habe ihm erzählt, wir hätten uns verirrt. Dass Sie eine Wissenschaftlerin seien und ich Ihr Führer und dass wir ungewollt in die Höhle gezogen worden wären.«
»Hat er Ihnen die Geschichte abgekauft?«
»Das wäre ohnehin egal. Er sagt, sein Befehl lautete, jeden zu erschießen, den er hier antrifft. Aber er hat über Funk mit seinen Bossen gesprochen, und die haben ihm befohlen, uns zu ihnen zu bringen.«
»Er schien recht froh zu sein, den schwarzen Peter weitergeben zu können. Wie viel Zeit bleibt uns?«
»Der Wagen hat ein Problem mit dem Motor. Sobald das repariert ist, brechen wir auf.«
Gamay atmete tief durch. Sie hatte keine Angst. Sie war bloß müde und in gewisser Weise entmutigt, dass man sie nun doch noch erwischt hatte. Nachdem sie sich die letzten paar Tage auf dem Fluss abgemüht hatten, war ihnen die Freiheit zum Greifen nah vorgekommen. Doch trotz all der Anstrengung sah es jetzt kein bisschen besser für sie aus als anfangs in der Höhle.
Immerhin, diese
chicleros
geiferten sie nicht an und drohten ihr auch nicht offen mit Vergewaltigung. Und sie würden nicht zu Fuß durch den Wald marschieren müssen. Sie dachte über den Pickup nach.
Vielleicht war der ihr Ticket in die Freiheit, falls es ihnen irgendwie gelingen würde, vier bewaffneten Männern den Zündschlüssel zu entreißen. Sie lehnte ihren Kopf gegen die Stoßstange und ging die Alternativen durch. Schon bald wurde ihr klar, dass ihnen beim gegenwärtigen Stand der Dinge nur noch eines helfen konnte: ein Wunder. Sie schloss die Augen.
Es würde eine lange Nacht werden.
36.
Zavala saß im vorderen Helikopter und sah im Licht der Morgendämmerung die Leichen. Der Huey flog dicht über den Baumwipfeln und folgte soeben den vielen Windungen und Biegungen des Flusses, als Joe das menschliche Treibgut in einer kleinen Bucht entdeckte. Er bat den Piloten, tiefer zu gehen, um einen zweiten Blick auf die Stelle werfen zu können.
Der Huey flog eine Kehre und verharrte über dem Wasser.
Zavala lehnte sich aus der großen Seitentür und musterte die aufgedunsenen Körper. Dann rief er über Funk den zweiten Hubschrauber, der über ihnen langsam einen großen Kreis beschrieb.
»Paul und Kurt, soweit ich sehen kann, besteht kein Grund zur Beunruhigung. Es scheint sich ausschließlich um Männerleichen zu handeln.« Mit anderen Worten,
Weitere Kostenlose Bücher