Das Todeswrack
Sie waren aus Kunststoff und sahen aus wie dicke Miniaturtorpedos mit Ohren. Nina erkannte, dass es sich um Unterwassergleiter handelte, gemeinhin als Skooter bekannt.
Jeder der beiden Taucher griff sich einen der Gleiter Marke Stingray und betätigte den Gashebel. Mit leisem Jaulen erwachten die batteriebetriebenen Zwillingsmotoren zum Leben und ließen die Doppelschrauben anlaufen. Aquaman wies auf seine n Rücken. Nina hielt sich an seinen Schultern fest, und dann schwebten sie in eine mittlere Tiefe empor. Die Wassertemperatur stieg geringfügig an. Während sie unterwegs waren, stellte Ninas Taucher Funkkontakt zum Schiff her und fragte, ob sich in der näheren Umgebung ein großes Hovercraft herumtrieb. Er wollte kein unnötiges Risiko eingehen.
»Vorhin haben wir ein Luftkissenfahrzeug gesehen«, lautete die Antwort. »Dann hat es den Rückweg zum Ufer eingeschlagen und scheint inzwischen verschwunden zu sein.«
»Roger. Richtet euch auf weiblichen Besuch ein.«
Die Reaktion ließ einen Moment auf sich warten. »Wie bitte?«
»Schon gut. Seid einfach nur darauf vorbereitet, einen Fall von Hypothermie zu behandeln.«
Sie tauchten in der Nähe des Schiffs auf und steuerten das Heck an. Ein Empfangskomitee half Nina an Bord und wickelte sie sofort in Handtücher und Decken ein. Ninas Gesicht war scheckig, die Lippen blau angelaufen. Sie wollte sich nicht auf der bereitstehenden Trage niederlassen, war aber dankbar, dass eine hilfreiche Hand sie stützte, als sie auf wackligen Beinen und mit klappernden Zähnen das Krankenrevier ansteuerte. Sie hinkte, denn die Fußverletzung, die sie sich auf der Flucht vor den Attentätern zugezogen hatte, machte ihr zu schaffen.
Die beiden Taucher legten ihre Ausrüstung ab und machten sich dann ebenfalls auf den Weg zur Krankenstation. Geduldig harrten sie wie werdende Väter vor der verschlossenen Tür aus.
Bald darauf trat der medizinische Offizier hinaus auf den Korridor. Der Arzt auf diesem Schiff war eine attraktive und durchtrainierte junge Frau.
»Ist sie in Ordnung?«, fragte der größere der beiden Männer.
Die Ärztin lächelte. »Die junge Dame ist ganz schön zäh«, sagte sie mit merklicher Bewunderung. »Ich habe ihre Schnittwunden und Blutergüsse desinfiziert. Sie war stark unterkühlt, daher sollte sie sich zunächst mal aufwärmen.
Außerdem lasse ich ihr eine Tasse Bouillon bringen.«
»Können wir mit ihr sprechen?«
»Na klar. Ihr Jungs vertreibt ihr ein wenig die Zeit, und ich schaue unterdessen mal, ob ich ein paar Kleidungsstücke auftreiben und ihr eine Koje in meiner Kabine freischaufeln kann, damit sie einen Platz hat, um sich ungestört auszuruhen.«
»Wie heißt sie?«
Die Ärztin hob eine Augenbraue. »Das
wissen
Sie nicht? Meine Herren, ich glaube, Sie verbringen zu viel Zeit unter Wasser, vor allem Sie, Zavala. Ich dachte, Sie hätten mittlerweile ihre Telefonnummer und wüssten, welche Blumen und Restaurants sie bevorzugt.«
José »Joe« Zavalas Ruf war ihm aus Washington gefolgt. Das war nicht allzu überraschend, denn auch mit der Ärztin war er bereits einmal ausgegangen. Frauen gegenüber benahm er sich stets äußerst charmant, und da er so aussah wie der junge Ricardo Montalban, waren viele allein stehende Damen durchaus nicht abgeneigt. Ein flüchtiges, beinahe schüchternes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Ich lasse wohl nach«, sagte er.
»Wer’s glaubt, wird selig.« Sie grinste humorlos und machte sich dann eilig auf den Weg.
Als die beiden Männer die Tür öffneten, saß Nina auf einer Untersuchungsliege. Sie trug einen ausgebeulten Marine-Trainingsanzug, und um ihre Schultern lag eine dicke Wolldecke. Wenngleich ihre Augen sich infolge des Salzwassers stark gerötet hatten und das lange Haar verfilzt war, so hatte ihr Gesicht doch merklich an Farbe gewonnen, und auch die bläuliche Färbung der Lippen war verschwunden. Sie hielt mit beiden Händen eine n Kaffeebecher umklammert und genoss die Wärme. Ihr Blick war auf den hochgewachsenen Mann in der Türöffnung gerichtet. Sein kräftiger Körperbau und der Kontrast zwischen seiner gebräunten Haut und den beinahe weißen Haaren ließen ihn wie den nordischen Helden einer Wagner-Oper aussehen.
Als er dann das Wort ergriff, erwies sich seine Stimme als überraschend sanft.
»Ich hoffe, wir stören nicht«, sagte er vorsichtig.
Nina strich sich eine lange gewellte Strähne aus der Stirn.»Ganz und gar nicht. Kommen Sie herein.« Er trat ein, gefolgt
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