Das Todeswrack
einen Streich spielten, der dass sie einen entfernten Schiffsgenerator hörte. Sie tauchte ein Ohr ins Wasser.
Das Brummen wurde lauter.
Langsam drehte Nina sich um. Vom Ufer näherte sich ihr mit hoher Geschwindigkeit ein dunkles Objekt. Zuerst glaubte sie, es handele sich um ein Boot, aber es kam schnell näher, und bald erkannte Nina den gedrungenen, hässlichen schwarzen Rumpf eines großen Hovercrafts, eines amphibischen Luftkissenfahrzeugs, das sich sowohl über Land als auch auf dem Wasser fortbewegen konnte. Es fuhr einen Slalomkurs und vollführte dabei eine Reihe scharfer Kehren, aber Nina spürte, dass dies hier kein Rettungsboot auf Suchfahrt war. Es fuhr zu entschlossen, zu aggressiv. Urplötzlich hörte die Zickzackbewegung auf, und das Hovercraft hielt schnurgerade auf sie zu. Man hatte sie entdeckt. Ihr Vorsprung schmolz innerhalb kürzester Zeit zusammen, und dann war das Fahrzeug auch schon fast über ihr. Sie tauchte so tief wie möglich hinab.
Das Hovercraft glitt auf seinem dreißig Zentimeter dicken Kissen über sie hinweg und wühlte das Wasser auf. Als Nina den Atem nicht länger anhalten konnte, schoss sie nach oben und wollte nach Luft schnappen. Stattdessen inhalierte sie ein paar der dunklen Abgasschwaden und musste husten. Das Luftkissenfahrzeug schwang herum und hielt erneut auf sie zu.
Abermals tauchte sie. Abermals wurde sie heftig durchgeschüttelt, nur um sich wieder den Weg an die Oberfläche zu bahnen und hilflos im Kielwasser zu treiben.
Das Hovercraft hielt an, sank mit summenden Motoren aufs Wasser und schien Nina zu mustern, als wäre es eine große Katze, die mit einer Maus spielte. Einer müden und durchweichten Maus. Dann erwachten die Maschinen wieder zum Leben, das Fahrzeug erhob sich auf unsichtbaren Beinen und griff von neuem an.
Nina tauchte und wurde durcheinander gewirbelt wie ein Edelstein in einer Poliermaschine. Sie war benommen, und das Blut pochte in ihren Ohren. Sie reagierte nur noch aus reinem Instinkt. Bald schon würde das Spiel vorbei sein. Dieses verfluchte Gefährt konnte praktisch auf der Stelle wenden. Jedes Mal, wenn sie wieder auftauchte, blieb ihr weniger Zeit zum Einatmen, weil das Fahrzeug sich ihr weiter genähert hatte.
Und wieder hielt der stumpfe Bug auf sie zu, obwohl sie ihn in der Abgaswolke kaum erkennen konnte, ihr Blick zudem vom Salzwasser getrübt war und ihre Augen brannten. Sie war zu erschöpft, um noch einmal zu tauchen, und hätte auch nicht mehr genug Kraft gehabt, um sich wieder nach oben zu kämpfen. Zunächst wollte sie versuchen, aus dem Weg zu schwimmen, aber nach ein paar kläglichen Zügen gab sie auf und wandte sich zu ihrem Verfolger um, als könnte sie ihn mit bloßen Händen zurückschlagen.
Das Hovercraft hatte sie beinahe erreicht, und sein hohle s Dröhnen hallte in ihren Ohren. Sie biss die Zähne zusammen und wartete.
Der Schrecken der letzten Stunden war gar nichts im Vergleich zu dem, was dann geschah. Das Luftkissenfahrzeug war nur noch wenige Meter entfernt, als sich ein eisenharter Griff um ihre Knöchel schloss und sie in die kalten Tiefen des Ozeans hinabzerrte.
6.
Ninas Arme ruderten wie die Flügel einer Windmühle im Sturm. Verzweifelt versuchte sie sich loszureißen, aber der Schraubstock an ihren Knöcheln gab keinen Millimeter nach, auch nicht, als der Strudel des Hovercrafts das Wasser um sie herum aufpeitschte. Mit einer letzten trotzigen Geste leerte sie ihre Lunge durch einen wütenden, frustrierten Schrei, der sich in einem lautlosen Schwall Luftblasen manifestierte.
Der Griff an ihren Füßen löste sich, und aus dem wirbelnden Durcheinander im Kielwasser des Hovercrafts schälte sich langsam eine verschwommene menschliche Gestalt heraus. Der amorphe Schatten kam wie ein außerirdischer Zyklop aus einem UFO immer näher und gewann dabei zunehmend an Form, bis sich das Plexiglas einer Taucherbrille nur wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht befand. Hinter dem Glas sah sie ein Paar markanter hellblauer Augen, die eher Stärke und Ruhe ausstrahlten, als bedrohlich zu wirken. Eine Hand in einem Handschuh kam empor, schwenkte eine n Lungenautomaten vor Ninas Nase hin und her und betätigte das Ablassventil, damit das blubbernde Mundstück ihre Aufmerksamkeit erregte. Nina packte den Automaten und schob ihn sich gierig in den Mund.
Kein sommerlicher Blütenduft war je so süß gewesen wie die lebenspendende komprimierte Luft, die jetzt in ihre Lunge strömte. Die erhobene Hand bewegte sich auf
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