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Das Todeswrack

Das Todeswrack

Titel: Das Todeswrack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
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wie die anderen Narben, die sich deutlich von seiner gebräunten Haut abhoben.
    Allesamt Andenken an gewaltsame Zwischenfälle.
    Manchmal fragte er sich, ob Geschosse und scharfe Gegenstände von seinem Körper irgendwie angezogen wurden, so wie Metallspäne von einem Magneten.
    Er zog sich saubere Shorts und ein T-Shirt an, ging in die Küche, setzte eine halbe Kanne starken kenianischen Kaffee auf und schlug sich ein paar Eier mit Speck in die Pfanne. Er nahm den Teller durch eine Schiebetür mit hinaus auf die Terrasse oberhalb des Potomac und ließ den Blick über den Fluss schweifen, während er sein Frühstück verzehrte. Der Cholesterinschub tat ihm gut. Nachdem er sich etwas Kaffee nachgegossen hatte, ging er in sein Wohn- und Arbeitszimmer.
    Er legte eine CD von John Coltrane auf, ließ sich auf einem schwarzen Ledersessel nieder und hörte, wie das Instrument des Adolphe Sax Töne hervorbrachte, die sein Erfinder in den kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten hätte. Es war nicht allzu überraschend, dass Austin Progressive Jazz bevorzugte. In gewisser Weise spiegelten die Klänge von Coltrane, Oscar Peterson, Keith Jarrett, Bill Evans und anderen Künstlern seiner umfangreichen Plattensammlung Austins eigene Persönlichkeit wider: eine stählerne Unterkühltheit, hinter der sich leidenschaftliche Tatkraft und Dynamik verbargen, die Fähigkeit, aus der Tiefe der eigenen Seele schöpfen zu können, wenn übermenschliche Anstrengungen erforderlich waren, und ein ausgeprägtes Improvisationstalent.
    Der große Raum beherbergte eine vielfältige Mischung aus Altem und Neuem, echtes dunkles Holzmobiliar aus der Kolonialzeit und weiße Wände, an denen zeitgenössische Originale hingen. Angesichts der Tatsache, dass Austin am Wasser aufgewachsen war und den Großteil seines Lebens auf oder unter dem Meer verbrachte, fanden sich hier erstaunlich wenige Verweise auf die Seefahrt. Das primitive Gemälde eines Klippers, angefertigt von einem Hongkong-Picasso im Auftrag eines chinesischen Handelskapitäns, eine Pazifikkarte aus dem neunzehnten Jahrhundert, einige Werkzeuge aus dem Schiffbau, ein Foto von Kurts Einmaster sowie in einem Glaskasten ein maßstabsgetreues Modell seines Tragflächenrennboots.
    In den Bücherregalen standen die in Leder gebundenen Seefahrtabenteuer von Joséph Conrad und Herman Melville sowie ein Dutzend meereswissenschaftliche Bände. Aber die meisten der abgenutzten Werke stammten von Verfassern wie Plato, Kant und den anderen großen Philosophe n, mit denen Austin sich gern beschäftigte. Er war sich dieser Gegensätzlichkeit in seinem Leben bewusst, aber sie stellte für ihn kein Kuriosum dar. Mehr als ein Schiffskapitän hatte sich nach einer erfolgreichen Karriere auf den Weltmeeren im Landesinnern zur Ruhe gesetzt. Austin hatte nicht unbedingt vor, nach Kansas umzuziehen, aber die See war eine stürmische und fordernde Gebieterin, und er brauchte diesen stillen Zufluchtsort, um sich ihrer erdrückenden Umarmung u entziehen.
    Als er an seinem Kaffee nippte, fiel sein Blick auf die beiden Mantons, die über dem Kamin an der Wand hingen. Austins Sammlung umfasste knapp zweihundert Paar Duellpistolen. Die meisten der Waffen waren in einem feuerfesten Tresorraum untergebracht; nur die jüngeren Errungenschaften bewahrte er hier im Bootshaus auf. Ihn faszinierten nicht nur die Verarbeitungsgüte und die tödliche Schönheit der Pistolen, sondern auch die Irrungen und Wirrungen der Geschichte, die womöglich auf den Abschuss einer wohl platzierten Kugel im stillen Morgengrauen zurückzuführen waren. Er fragte sich, wie es der jungen amerikanischen Republik wohl ergangen wäre, hätte der autoritäre Alexander Hamilton im Jahr 1804 nicht das Duell gegen seinen politischen Widersacher Aaron Burr verloren. Die Mantons ließen Kurt wieder an den Zwischenfall auf der
Nereus
denken. Was für eine merkwürdige Nacht!
    Während der Tage seiner Genesung zu Hause hatte Austin den Überfall in Gedanken immer wieder ablaufen lassen. Wie bei einem Videorekorder hatte er vorgespult, die Handlung zum Standbild eingefroren und dann abermals zurückgespult.
    Nach dem Kampf hatten die Strapazen und der Blutverlust ihren Tribut von Austin gefordert. Er hatte kaum ein Dutzend Treppenstufen bewältigt, da konnte er auch schon keinen Schritt mehr weiter. In Zeitlupe sackte er zusammen und setzte sich hin.
    Letztendlich musste Kapitän Phelan dem Rest der Besatzung mitteilen, dass sie sich wieder

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