Das Tor nach Andoran (German Edition)
Blick auf eine große Lichtung frei, auf der eine Ansammlung lang gestreckter Holzhäuser stand. Gallan fiel sofort die Zerstörung auf. Von etlichen Häusern ragten verkohlte Balken in den Himmel, indessen bei anderen die Dächer eingestürzt waren, aber nirgends konnte Gallan eine Spur von Leben feststellen. Tot und verlassen lag das Dorf der Aricara vor ihnen, nicht einmal das Bellen eines Hundes war zu hören.
»Was ist hier geschehen?,« flüsterte Gallan seinen Vater fragend zu, der mit versteinerter Miene auf die Lichtung starrte.
»Das werden wir herausfinden,« antwortete Garan entschlossen und lief geduckt bis an das erste verkohlte Gebäude heran. Gallan folgte ihm und zog im Laufen seinen Dolch aus der Scheide, die in seinem Stiefel eingenäht war.
Zwischen den verbrannten Trümmern des Hauses stieß Gallan auf die Überreste von angesengten Leichen. Sie waren jedoch nicht im Feuer ungekommen. Sie starben an den Pfeilen, die in ihren Körpern steckten. Garan begutachtete einen Pfeil, den er aus einem der Holzplanken zog, und reichte ihn Gallan.
»Die stammen von Zentaren,« stellte Gallan fest. Nachdenklich betrachtete er die mit hässlichen Wiederhaken versehene Spitze des Pfeils und sein Blick wanderte suchend den Waldrand entlang. * Waren die Zentaren noch in der Nähe und beobachteten sie? *
»Ich glaube nicht, dass die Zentaren noch hier sind,« warf Garan ein, der Gallans angespannte Blicke bemerkte.
»Der anhaltende Regen hat alle Spuren vernichtet,« stellte Garan mit einem Blick auf den Boden fest. »Dem Zustand der Leichen nach zu urteilen sind sie,« er deutete auf einen der Toten, »vor mindestens drei Tagen gestorben. Das sieht man an der beginnenden Verwesung.« Ohne weitere Worte ging Garan zu den Langhäusern hinüber, um sich dort umzusehen.
Gallan suchte währenddessen die nähere Umgebung des Dorfes nach Spuren ab, wobei ihm eines schnell klar wurde. Die Zentaren, die das Dorf überfallen hatten, waren nicht in die Richtung Itumas marschiert, sondern sie verfolgten die Aricara, die in die Berge geflüchtet waren.
Zudem fand Gallan keine weiteren Leichen, was seine Beobachtungen bestätigte. Die Bewohner des Dorfes konnten noch rechtzeitig vor den herannahenden Feinden fliehen, aber das erklärte nicht die Toten, die sie fanden. Gallan ging an die Stelle zurück an der sie die Toten fanden und untersuchte deren Leichen noch einmal genauer, als beim ersten Mal.
Als Gallan zu seinem Vater zurückkam, suchten sie ein Haus mit intaktem Dach, das ihnen und ihren Pferden Schutz vor dem Regen bot. Sie fanden eins am östlichen Rand des Dorfs, in dem sich die Verwüstungen in Grenzen hielten. In ihm fanden sie für die Nacht eine windgeschützte und trockene Unterkunft in der sie ihre durchnässte Kleidung trocknen konnten und den Pferden Ruhen gönnten.
Garan entfachte ein Feuer, und als sie etwas gegessen hatten, besprachen sie, was sie herausgefunden hatten. »Wie sieht es aus Gallan, hast du brauchbare Spuren gefunden?« Garans Blick wanderte über das Feuer hinweg zu seinem Sohn, der gedankenverloren in der Glut herumstocherte und neues Holz auflegte. Gallan hob seinen Kopf und erwiderte den Blick seines Vaters. Dabei bemerkte er zu seinem Erstaunen einen feuchten Glanz in Garans Augen und er fragte sich, was seinen Vater wohl beschäftigte.
»Ich hab die Toten noch einmal eingehend untersucht, Vater. Sie waren entweder alt und gebrechlich oder krank, aber ich konnte nirgends Spuren eines Kampfes feststellen. Das bedeutet, dass die Aricara wussten, was auf sie zukam und geflüchtet sind. Wäre das Dorf vom Feind überrascht worden, so hätten wir auch Kinder Frauen und Krieger unter den Toten gefunden. Die Vorratslager sind leer und es fehlen Gerätschaften des täglichen Lebens. Ich denke sie wurden gewarnt und haben sich abgesetzt. Ich schätze sie sind ins Gebirge geflohen und suchen dort Schutz vor Kishos Kriegern. Soweit ich es beurteilen kann, sind die Zentaren ihnen gefolgt.«
Garan nickte zustimmend. »Das entspricht auch meinen Vermutungen,« bestätigte er. »Der Clan hat sich vor den Angreifern in sein Winterlager zurückgezogen, welches so viel mir bekannt ist, zehn Tagesreisen von hier, im Nordosten liegt. Was die Toten betrifft, so ist deine Annahme richtig. Es handelte sich tatsächlich um Alte und Kranke, die den Strapazen der Flucht nicht gewachsen gewesen wären. Sie sind freiwillig zurückgeblieben, um den Stamm auf ihrer Flucht nicht zu behindern.«
Gallan,
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