Das Tor nach Andoran (German Edition)

glaubte. Kashim lauschte, bis er sich sicher war. Jemand kam durch den Gang, der sich irgendwo im Berg verlor, aber wer? Kashim überlegte. Sicher gab es nicht viele, die wussten, wohin der Gang führte. Es kamen höchstens die engsten Vertrauten Kishos, also die Sucher infrage, oder Sklaven, die sich hier unten auskannten.
    Kashim wich von der Treppe zurück und versteckte sich in einer eingelassenen Nische dicht bei der Treppe. Nach einiger Zeit sah er schwachen Lichtschein, der von den Wänden des Ganges zurückgeworfen wurde. In diesem Lichtschein konnte Kashim zwei Schatten auszumachen, die sich langsam näherten. Er hörte das Klappern eines Gegenstandes, der auf den Boden fiel, dem ein unterdrückter Fluch folgte. Danach wechselten die Schatten einige leise Worte, die er nicht verstand.
    Kashim drückte sich in die enge Nische neben der Treppe. Das geisterhafte rote Licht kam näher und er erkannte deutlich die Umrisse zweier Männer, die näher kamen. * Woher kamen die Männer? *
    Als er die Treppe zu den Gewölben hinunterging, deuteten keine Spuren im Staub darauf hin, dass sie jemand vor ihm benutzt hatte. Die dicke Staubschicht, die auf den Stufen lag, war unberührt und hatte ihm schon Sorgen bereitet, dass sie ihn verraten könnte. Allem Anschein nach gab es einen weiteren Zugang zu den Gewölben unter der Festung. Aber wo? Die Umrisse bewegten sich mit äußerster Vorsicht auf die Treppe zu. Das konnten unmöglich Sklaven sein, die hier unten ihrer Arbeit nachgingen, so viel stand für Kashim fest.
    Die Schatten erreichten die untersten Stufen der Treppe und blieben abwartend stehen. Kashim hielt den Atem an, um sich nicht zu verraten und beobachtete tief in den Schatten der Nische gepresst weiter. Die Umrisse der einen Gestalt und ihre flüsternde Stimme erinnerten Kashim an jemanden, dem er oft bei Kisho begegnet war. Sein von Trauer gepeinigter Verstand verhinderte jedoch ein Erkennen.
    Die zweite Gestalt stammte scheinbar von einem weit entfernten Stamm, worauf die seltsame Kleidung schließen ließ, die sie trug. Erneut vernahm er geflüsterte Worte, doch dieses Mal verstand er einige Fetzen des Gesprächs. Ganz deutlich verstand er ein Wort, das ihn elektrisierte. „Einhorn“
    Diese Männer unterhielten sich ganz eindeutig über das Einhorn, das Kisho suchte. Woher kamen die Männer und was hatten sie vor? Wenn diese Männer wussten, wo sich das Einhorn befand, würde Kisho ein Vermögen dafür geben, um die beiden in die Finger zu bekommen. Aber er konnte sich auch mit ihnen gegen Kisho verbünden.
    Abermals tauchte der angekettete tote Körper seines Jungen vor seinem geistigen Auge auf und der Schrei nach Rache drohte über seine zusammengepressten Lippen zu kommen. Er hörte auch den geflüsterten Namen des Barons, dann berieten sich die beiden Männer murmelnd weiter. Plötzlich fiel Kashim der Name des Mannes ein, den er nicht gleich erkannt hatte. Gallan der geflüchtete Sucher. Weshalb kam er in die Höhle des Löwen zurück?
    Kashim fiel auch sofort eine Antwort auf seine Frage ein. Gallan wollte Kisho zuvorkommen, denn früher oder später endete jede Flucht vor dem Baron in dessen Festung. Gallan und er kannten die perfiden Methoden Kishos. Vielleicht wollte Gallan sich ein für alle Mal von der Gefahr, die ihm durch Kisho drohte, befreien. Aber das, und das wusste Kashim genau, waren nur Spekulationen.
    * Warte, bis du herausfindest, was sie vorhaben ,* riet ihm eine Vorsicht gebietende Stimme in seinem Verstand. Der andere Mann hielt Gallan zurück, als dieser seinen Fuß auf die erste Stufe setzte. »Du hast keine Ahnung, wo sich das Einhorn befindet. Wäre es nicht klüger zuerst nachzusehen mit wie vielen Wachen wir es zu tun haben?«
    »Dafür haben wir keine Zeit Gandulf,« entgegnete Gallan unwirsch und wollte sich erneut in Bewegung setzen. Der mit Gandulf angesprochene hielt ihn erneut zurück.
    »Wo sollen wir deiner Meinung mit der Suche nach Riana anfangen? So eine Festung hat unzählige Räume, in denen Kisho sie verstecken kann.«
    Gallan hob entnervt die Schultern, ehe er antwortete. »Ich kenne nur einen Raum, wo sich das Einhorn befinden kann und das ist sein Verhörzimmer. Das ist ein mittelgroßer Saal im zweiten Stock. Glaub mir dort finden wir sie.«
    Einer spontanen Eingebung folgend, trat Kashim aus dem Schatten neben der Treppe. »Erschreckt nicht, ich verrate euch nicht,« sagte Kashim und trat aus der Dunkelheit ins Licht. »Ich hab eure Unterhaltung mit