Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
nach Quickhands.« Sie flüsterte nur noch. »Du musst mit dem Stehlen aufhören. Jetzt gleich und für immer!«, flehte sie. »Wenn sie herausbekommen, dass du Quickhands bist, dann hängen sie dich. Es gilt die Ehre Seiner Majestät wiederherzustellen, da wollen sich alle gegenseitig übertreffen. Der Mann, der Quickhands dem Richter überstellt, wird zu einem noch größeren Helden als der Dieb, der den König zu bestehlen wagte.«
Nigel grinste und machte den Eindruck, als fühle er sich geschmeichelt.
»Für Eitelkeit gibt es wahrlich keinen Grund. Du solltest dich lieber fürchten!«, tadelte Catlin ihn.
»Das tue ich ja«, erwiderte Nigel trotzig. »Im Augenblick aber fürchte ich mehr um das Leben meines Kindes und meines Weibes als um das meine, darum lass uns in der Tat umgehend aufbrechen!« Er zog Catlin am Arm mit sich fort.
Schweigend eilten die beiden durch die Gassen der Stadt in Richtung Themse. Mehr als einmal glaubte Catlin, Ewe und den Kleinen entdeckt zu haben, doch hatte es sich stets um eine Verwechslung gehandelt.
»Da, sieh nur!«, rief Nigel plötzlich und deutete in die Ferne, wo eine Menschenmenge zusammenlief. Das Ufer der Themse war an jener Stelle etwas seichter. Catlin überlief ein Schauer, und eine dunkle, unbestimmte Angst erfasste sie, trieb ihr die Tränen in die Augen. Ob ihr ständiger Hang zum Weinen tatsächlich daran lag, dass sie in anderen Umständen war? Was aber, so fragte sie sich, bedeutete es, Mutter zu werden? Mutter zu sein? Ihre eigene Mutter war viel zu früh gestorben. Woher sollte sie also wissen, welche Pflichten eine Mutter hatte und wie eine Mutter fühlte? Und so erfasste sie neben der Angst auch so etwas wie Spannung und Neugier. Ein Kind würde alles verändern, ihr Leben, ihre Arbeit und ihre Zukunft. Auch ihre Ehe, denn für John gäbe es keinen Zweifel, dass sie ihn hintergangen hatte, wenn er von dem Kind unter ihrem Herzen erführe. Ganz gleich, wie gutmütig er sein mochte, eine solche Schmach konnte nicht einmal er erdulden. Die Brust wurde ihr eng. Während sie noch darüber nachdachte, was ihr blühen mochte, wenn John von ihrem Fehltritt erfuhr, erreichten sie die Menschenansammlung am Flussufer und schlossen sich ihr an.
»Gütiger Herr im Himmel, das arme Kind!«, hörten sie plötzlich eine Frau entsetzt ausrufen. »Warum, Herr, lässt du das zu?«, fragte eine zweite voller Zweifel an der Gnade des Allmächtigen. »Sterben nicht schon genug Kinder? So viele rufst du zu dir, noch bevor sie laufen können! Warum nur?« Es klang, als hätte auch sie schon einen Sohn oder eine Tochter verloren, vielleicht gar mehrere Kinder.
Ein Mann hatte den Knaben aus dem Wasser gezogen und legte ihn vorsichtig auf dem Boden ab. Die dünne Kleidung des Kindes triefte vor Nässe und klebte an dem reglosen zarten Leib. Die Gesichtszüge waren weiß und wächsern, die Lippen blau wie Lavendel. Nigel wurde kreidebleich, dann stürzte er zu Boden und kroch auf Knien zu seinem Sohn. Er riss ihn an sich und drückte ihn voller Schmerz an die Brust. Hilflos rieb er ihm den Rücken, so wie es die Ammen nach dem Stillen zu tun pflegten, wiegte sich vor und zurück und weinte lautlos.
»Haucht ihm Luft in den Mund!«, riet ein Seemann, und Nigel folgte seinem Rat. Er füllte seine Brust und blies ein wenig von seinem Atem vorsichtig durch die Lippen in den kalten Leib hinein. Dann presste er den Jungen abermals an sich, strich ihm liebevoll über den Kopf und wieder im Kreis über den Rücken. Immer wieder blies er Luft in die winzige Brust, die sich daraufhin leicht hob und senkte.
»Du musst leben«, murmelte Nigel verzweifelt. »Bitte!«
Plötzlich hustete der Kleine, spie Wasser und wimmerte kläglich.
»Ein Wunder! Ein Wunder ist geschehen!«, riefen sogleich zwei Frauen. Auch Catlin schrie vor freudiger Überraschung auf. Alle waren erleichtert, lachten und jubelten.
»Der Herr hat Erbarmen, das Kind ist wieder am Leben!«, rief ein Mann den Neugierigen zu, die hinter ihm standen und nichts mitbekommen hatten.
Während Nigel noch immer um das Leben seines Sohnes bangte, spürte Catlin zum ersten Mal in ihrem Leben so etwas wie Liebe zu dem Kind, das sie in sich trug. Wohl wissend, dass die Übelkeit nur eines von vielen Zeichen für ihren Zustand war, zweifelte sie nicht mehr daran, guter Hoffnung zu sein, und spürte gar ein wenig Freude. Auch ihr Körper hatte sich bereits verändert – die Brust war voller geworden, der Bauch weicher.
»Wie ist
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