Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
Straße stand, schien ihm noch etwas einzufallen. Er wandte sich um. »Könnte es sein, dass du schon einmal von einem Dieb namens Quickhands gehört hast?«
Catlin fürchtete, der Boden unter ihren Füßen könne sich auftun und sie auf der Stelle verschlingen. Sie klammerte sich am Türrahmen fest, um nicht zu schwanken. Einen Augenblick lang überlegte sie, ob Richard vielleicht mehr wusste, als er zugab. Ob er gar einzig wegen Quickhands gekommen war und nicht wegen ihres Vaters, wie er behauptet hatte. »Quickhands?«, fragte sie nach, um Zeit zu gewinnen. Wenn sie so tat, als hätte sie diesen Namen noch nie gehört, wunderte Richard sich womöglich, war der Dieb doch in aller Munde. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht vom Überfall auf den König herumgesprochen. Jeder, der in London lebte, wusste davon. »Gewiss. Ist es wahr, was man sich auf der Straße erzählt? Dass er den König bestohlen hat?«, fragte sie darum betont arglos.
»Und wie wahr es ist!«, grollte Richard. »Doch die Männer des Königs werden ihn finden und ihn am höchsten Galgen der Stadt aufknüpfen.«
Aus Angst um Nigel wurde Catlin die Kehle ganz eng. Sie erinnerte sich noch allzu gut an die Hinrichtung der vier Übeltäter, die die Schmiede überfallen hatten. Die Bilder verfärbter Gesichter und geschwollener Zungen hatten sie noch wochenlang bis in den Schlaf verfolgt. Sich Nigel am Galgen vorzustellen war so abscheulich, dass ihr schauderte. Sie hätte Richard nur zu gern gefragt, ob man bereits mutmaßte, wer hinter dem Namen Quickhands steckte, doch sie wagte nicht, ihrem Vetter in die Augen zu blicken. Zu groß war die Angst, er könne ihr ansehen, dass sie mehr über den Dieb wusste als er und alle anderen in der Stadt.
»Du hörst von mir«, versprach Richard und küsste sie auf die Wange. »Ich bin froh, dass es dir gut geht«, murmelte er, löste die Zügel, die er um den eisernen Ring geschlungen hatte, der neben der Tür in die Hauswand eingelassen war, und bestieg sein Pferd. »Bis bald!« Er schnalzte mit der Zunge und ritt davon.
Catlin verriegelte die Tür von innen und schloss die Augen. Sie musste Nigel warnen. Ihm sagen, dass man Quickhands mit dem Diebstahl in Verbindung brachte, dass ein Ritter des Königs bei ihr gewesen war, wenn auch vermutlich nicht seinetwegen. Und sie musste dem Freund ins Gewissen reden, sich nie wieder in solch große Gefahr zu begeben.
»Flint? Corvinus?«, rief sie. »Ich muss kurz fort!« Sie warf sich den Mantel über die Schultern. »Ihr kommt zurecht?«, erkundigte sie sich und blickte sich in der Werkstatt um. »Wo steckt Corvinus?«, fragte sie verdutzt, als sie den Lehrjungen nicht antraf.
»Beim Bäcker, ich habe Hunger«, brummte Flint.
»Der Meister ist sicher bald zurück«, sagte Catlin.
»Was soll ich ihm sagen, wenn er nach dir fragt?« Flint rieb sich mit dem Ärmel über die Nase.
»Der Mietzins ist fällig«, entgegnete Catlin. Dass sie ihn erst vor wenigen Tagen bezahlt hatte, wusste Flint gewiss nicht, und John kümmerte sich schon seit Längerem nicht mehr um die Zahlungen an Nigel.
Als Flint nickte und sich wieder seiner Arbeit zuwandte, verließ Catlin eilends die Werkstatt.
Randal kannte sich mit den Farben und Wappen der Ritter nicht aus, doch dem Auftreten nach war der junge Mann, der soeben die Glockengießerei verließ, mehr als wohlhabend. Ein einfacher Soldat besaß weder ein solch glänzendes Schwert noch ein so feines Gewand, das sauber gebürstet, ohne jedes Flickwerk, dafür aber mit aufwendigen Stickereien versehen war. Randal kratzte sich nachdenklich am Bart. So vertraulich, wie der Ritter und die Ehefrau des Glockengießers miteinander umgegangen waren, mussten sie sich näher kennen. Ob er wirklich ihr Vetter war? Ein schmutziges Grinsen huschte über Randals Gesicht. Am Ende war der schmucke Edelmann gar ebenfalls ein heimlicher Geliebter und Flint keineswegs der Einzige, dem die junge Frau ihre ehebrecherische Gunst schenkte. Gerade als sich Randal zufrieden auf den Heimweg machen wollte, öffnete sich die Tür zur Werkstatt abermals, und die Meisterin trat auf die Straße. Randal stutzte, als sie sich misstrauisch nach beiden Seiten umblickte. Sah sie nicht aus wie eine Frau, die etwas zu verbergen hatte? Als sie gleich darauf entschlossenen Schrittes die Straße entlangeilte, drängte es ihn, ihr zu folgen. Dabei hätte er nicht zu sagen gewusst, was er sich davon versprach. Er lief ihr durch einige Gassen hinterher, bis die
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