Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
Der Schmied ließ sich erleichtert auf seinen Sitz zurückfallen.
»O mein Gott, Richard, ihr habt uns einen Heidenschreck eingejagt!« Catlin senkte den Hammer, und Duncan stellte die Axt in einer Ecke ab.
»Habt ihr sie? Habt ihr sie gefunden?« Catlin trat auf Richard zu, als wolle sie ihm den Eintritt verwehren, bis feststand, dass die Gefahr gebannt war.
»Es ist vorüber. Wir haben sie gefasst und vor den König geführt. Er wird sie aufknüpfen lassen.«
»In der Stadt?«
»Auf dem Markplatz«, bestätigte Richard. »Morgen, noch vor dem Mittagsläuten.«
»Ich will sie hängen sehen!«, sagte Winnie laut. Ihre Stimme klang hart und viel zu alt. Sie war doch erst dreizehn. Alle starrten sie verblüfft an. Immerhin zeigte ihr blasses Gesicht wieder ein wenig Farbe. »Ich will sehen, wie sie zappeln und um Gnade winseln, bevor sie zur Hölle fahren.«
Elfreda setzte sich zu ihr auf die Bank und umarmte sie.
Es wird alles gut, dachte Catlin. Es wird alles gut.
»Wir wollten euch Bescheid geben, dass ihr in Sicherheit seid«, sagte Richard. »Nun aber müssen wir umgehend zum König zurück.«
Catlin nickte. »Dann sehen wir uns morgen.«
Richard strich ihr väterlich über das Haar und ging.
Um die Hinrichtung auf keinen Fall zu verpassen, machten sie sich am nächsten Morgen schon in aller Herrgottsfrühe auf den Weg nach St. Edmundsbury.
Duncan wich keinen Augenblick lang von Winnies Seite. Wortlos begleitete er sie, vielleicht um ihr zu beweisen, dass nicht alle Männer gewissenlose Schurken waren. Der Gedanke, dass die Unholde, die ihr so grausam Gewalt angetan hatten, schon bald in der Hölle schmoren würden, schien Winnie neuen Lebensmut zu verleihen. Sie wirkte geradezu vergnügt, ihre Wangen waren gerötet. Entschlossen setzte sie einen Fuß vor den anderen.
Der Schmied hingegen war noch immer schwach, musste langsam gehen und Pausen einlegen, um Kraft zu schöpfen. Dennoch hätte er um nichts in der Welt zu Hause bleiben wollen.
Die Nachricht von der Hinrichtung hatte sich in Windeseile herumgesprochen. Von überall her strömten Menschen herbei, die sich das Schauspiel nicht entgehen lassen wollten. Viele wussten nicht einmal, was den Verurteilten vorgeworfen wurde, und stellten Überlegungen an, was wohl geschehen war. Manch einer glaubte zu wissen, dass sie des Verrates am König angeklagt waren, andere hatten gehört, es seien Vogelfreie, die auf dem Marktplatz aufgeknüpft werden sollten.
Die Bauern und der Müller, die es besser wussten, weil auch sie überfallen worden waren, klärten die Neugierigen auf, verfluchten die räuberischen jungen Adligen und dankten dem Herrn, dass er ihre Gebete erhört hatte und mit der Stimme des Königs, der durch Zufall in St. Edmundsbury weilte, so rasch für Gerechtigkeit sorgte.
Die Stadttore waren schon seit dem Morgengrauen geöffnet, und die ersten Schaulustigen hatten sich bereits auf dem Marktplatz versammelt. Sie unterhielten sich und tauschten Neuigkeiten aus, begrüßten Bekannte und Verwandte, die sich zu ihnen gesellten, und sicherten sich die besten Plätze. Dicht genug am Geschehen, um die Gesichter der Verbrecher und ihren Todeskampf aus nächster Nähe sehen zu können, aber weit genug entfernt, um nicht Gefahr zu laufen, von den Verurteilten bespuckt zu werden.
Auch die Trauernden vom Vortag fanden sich auf dem Platz ein. Sosehr es Catlin auch erleichterte, dass die Schuldigen gefunden waren, sosehr bedrückte sie die Aussicht, sie hängen zu sehen. Für einen anständigen Christen war die Vorstellung ein Gräuel, bis in alle Ewigkeit in der Hölle zu schmoren, statt ins Paradies einzugehen. Doch genau das war es, worauf sie alle an diesem Tag hofften – dass die Räuber in der Hölle schmorten. Auf Erden im Elend zu leben ertrugen die meisten nur in der Hoffnung, im Jenseits eine bessere Welt vorzufinden. Dafür aber musste ein jeder gottesfürchtig leben und seinen Mitmenschen Gutes tun. Was also konnte aus der Sicht der Opfer eine gerechtere Strafe für Mörder, Räuber, Frauenschänder und Verräter sein als ewiges Leid in der Hölle? Catlin beobachtete die Menschen ringsum.
Viele sahen den Zimmerleuten zu, die mit dem Aufbau der Galgen beschäftigt waren. Einige machten Bemerkungen dazu und nickten, wenn der Henker laut brüllend Befehle erteilte. Sie fachsimpelten über das Hängen und wie die Knoten angelegt werden mussten, damit die Verurteilten nicht so rasch das Bewusstsein verloren.
»Schließlich sollen sie ihre
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