Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
entsprach, war ganz und gar nicht nach seinem Geschmack.
Er wollte das Handwerk seines Meisters ausüben, doch in das Geheimnis der Glockenrippe hatte dieser ihn noch nicht eingeweiht. Erst im letzten Lehrjahr hatte er das tun wollen. Ein einziges Jahr länger bei seinem Meister, und Randal wäre Geselle gewesen, hätte an sich arbeiten und ein guter Glockengießer werden können. So aber fehlte ihm das Wichtigste. Das alles Entscheidende. Das Geheimnis, das den Glockengießer befähigte, dem Metall den richtigen Klang zu entlocken, den Ton zu errechnen, den eine Glocke haben sollte, abhängig von Größe, Gewicht und Umfang. Ohne die Formeln war es nicht möglich, eigene Erfahrungen zu sammeln und selbst einmal Meister zu werden.
Randal war der Verzweiflung nahe. Wie sollte er sein Schicksal herausfordern, wie es zum Guten wenden?
Es gab nur eine Möglichkeit. Er musste sich die Formeln irgendwie beschaffen, musste einen Gesellen dazu bringen, sie ihm zu verraten oder zumindest so viel zu erklären, dass er damit arbeiten, daraus lernen und allein eine Glocke gießen konnte. Randal huschte an der Mauer entlang bis zum Gasthaus. Hier, so hatte er gesehen, verkehrten Glockengießer. Nicht der Meister, der blieb zu Hause bei Weib und Kind, aber seine Lehrlinge und Gesellen tranken, spielten und aßen in der Schenke.
Randal musste versuchen, sich mit ihnen anzufreunden. Wenn er vertraut mit ihnen wurde, halfen sie ihm vielleicht gar, eine Arbeit zu finden, und irgendwann bekam er dann gewiss die Gelegenheit, einen der Gesellen zu übertölpeln. Er würde ihn betrunken machen, ihm eine Wette aufdrängen, die er nicht gewinnen konnte, ihn im Armdrücken oder Würfeln besiegen und ihm dann das Geheimnis der Glockenrippe entlocken.
Irgendwie musste es ihm gelingen.
Randal blickte zum Himmel empor und bat den Herrn um Beistand, dann riss er die Tür zum Schankraum auf und trat ein. Rauchschwaden waberten über dem Feuer in der Mitte des Raumes bis unter die niedrige Decke. Kleine Talglichter auf den Tischen flackerten im Takt einer Laute, die ein fahrender Sänger anschlug.
»Und so führte er sie ins Stroh, oho, oho!«, schmetterte der Barde und stampfte dabei mit dem Fuß auf. Ein Mädchen, jünger als Randal, mit filzigem langem Haar, schmutzigen Füßen und einem abgewetzten Kleid tanzte dazu, wirbelte zwischen Tischen und Bänken umher, ließ sich hier und da auf den Schoß eines Gastes fallen und von den grölenden Männern begrapschen. Als sie Randal entdeckte, der noch keinen Platz gefunden hatte, drängte sie sich an ihn und versuchte ihn mit aufreizenden Gesten und freizügigen Einblicken in ihren Ausschnitt zu umgarnen. Sie war schön, hatte dunkle Augen und feste kleine Brüste, aber Randal hatte keinen Blick dafür.
»Lass mich, oder dich holt der Teufel!«, fauchte er ihr ins Ohr, als sich ihre Hände unter sein Hemd schieben wollten.
Sie warf den Kopf in den Nacken, als hätte er mit ihr getändelt, bog und wand sich beinahe lustvoll, neigte den Kopf und schenkte ihre Aufmerksamkeit plötzlich einem anderen. Der ließ sich nicht zweimal bitten, schloss sie sogleich in die Arme und versuchte ihr einen Kuss auf den Mund zu drücken.
Randal nahm in der Nähe des Tisches Platz, an dem die Glockengießer saßen, und der Sänger stimmte die nächste Strophe seines zotigen Liedes an, sang von einer Herrin, die ihre Gunst einem starken Bauernlümmel schenkte, während ihr Gatte die Dienstmagd beglückte.
Schwärze umgab Catlin, dann fühlte sie etwas Kaltes am Kopf und kam langsam zu sich. Jemand kühlte ihr die Stirn mit einem feuchten Tuch.
»Reizende Bekanntschaft, die du da auf der Straße gemacht hast«, sagte ein Junge, zwei, vielleicht drei Jahre älter als sie, aber nicht größer. Als er grinste, sah Catlin, dass einem seiner Schneidezähne ein dreieckiges Stück fehlte. Seine graublauen Augen blitzten sie übermütig an. »In der Nähe der Gropekuntelane herumzulungern ist wahrhaftig nicht ratsam – da steht ein Hurenhaus neben dem anderen.«
»Ich habe nicht herumgelungert!« Catlin wollte sich erheben, doch schon beim ersten Versuch wurde ihr schwindelig und übel.
»Du bist krank. Ziemlich hoch das Fieber, man könnte ohne Weiteres Spiegeleier auf deiner Stirn braten.« Der Junge hob den Lappen. »Tut gut, oder?«
Catlin nickte zaghaft. »Wo bin ich hier, und wer bist du?«, fragte sie matt und sah sich um. Sie befand sich in einem sauberen Raum, der mit schweren dunklen Eichenmöbeln
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