Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
sich verweigern konnte? Seine Mutter war nur eine Halbschwester des Königs. Ein Bastard wie sein Vater. Richard hörte den König und das Mädchen in der Ferne kichern wie Kinder. Wie glückstrunkene Kinder. Richard seufzte. Sie waren ganz offensichtlich ineinander verliebt. Richards Herz zog sich zusammen. Er beneidete die beiden. Um ihre Liebe und ihre Unbekümmertheit. Mabel jauchzte, und der König drohte ihr lachend. »Warte nur, ich kriege dich!« Dann kicherte das Mädchen wieder, gurrender diesmal, erwartungsvoll.
Richard presste den Kopf an den Baumstamm, ohne sich nach den beiden umzusehen. Nicht weil er besonders taktvoll war, sondern weil er den Anblick nicht ertragen hätte.
Als er zu seinem Onkel in die Schmiede gekommen war, hatte er Catlin zu sehen erwartet und sich darauf gefreut, doch seine Base war nicht zu Hause gewesen.
»Ausgeflogen, das Vögelchen«, hatte der Schmied mit düsterer Miene gebrummt. »Flügge geworden, ohne dass ich es gemerkt habe. Wollte den Mann nicht, den ich für sie ausgewählt hatte.« Niemand wusste, wo sie war. »Glocken wollte sie läuten hören. Hochzeitsglocken mit dem fremden Meister«, hatte der Onkel hinzugefügt. Der Schmied verübelte Catlin nicht ernsthaft, dass sie sich davongemacht hatte, dazu vermisste er sie zu sehr. Aber er war enttäuscht. »Such sie!«, hatte er Richard gebeten. »Du musst sie finden.«
»Das werde ich«, hatte Richard versprochen, doch zunächst hatte er sich um die Herzensangelegenheit seines Königs kümmern müssen. Er hatte Winnie nach Mabel gefragt und erfahren, wo das Mädchen wohnte. Die Stickerin zu einem Treffen mit dem König zu bewegen war nicht sonderlich schwierig gewesen. Wie auch? Henry war nicht nur der König von England, er war auch von einnehmendem Äußeren, schlank und gut gewachsen, mit einem freundlichen, ebenmäßigen Gesicht, das von dunklen Locken umrahmt war. Auch Mabel hatte er ganz offensichtlich beeindruckt. War er doch nicht nur ihr König, sondern auch der Held, der sie vor den gefährlichen Hufen eines scheuenden Pferdes gerettet hatte. Den ganzen Weg bis zu ihrem geheimen Treffpunkt hatte sie von ihm geschwärmt und Richard öfter als einmal gefragt, was der König wohl von ihr erwarten mochte. Was wird er schon wollen?, hatte Richard gedacht, aber geschwiegen. Ihre rot angehauchten Wangen und der Glanz in ihren Augen hatten ihn gerührt. Doch das hatte sie nicht bemerken dürfen, also hatte er sie über Catlins Verschwinden ausgefragt.
Nach Norwich war sie also aufgebrochen. Richard schüttelte den Kopf. Wie töricht, einfach fortzulaufen! Nicht einmal der König konnte – bis auf wenige Ausnahmen, so wie an diesem Tag – bestimmen, wie er sein Leben einrichtete. Jeder hatte Verpflichtungen, manch einer mehr, so wie der Herrscher eines Landes oder ein hoher Kirchenfürst, der andere weniger, doch alle mussten ihren Pflichten Genüge tun. Sobald der König ihn für eine Weile entbehren konnte, würde er nach Norwich aufbrechen, um Catlin zu suchen, wie er seinem Onkel versprochen hatte. Richard schloss die Augen, als das Kichern der beiden Verliebten näher kam. Der junge König war sein Freund, und doch hatte er nicht die geringste Ahnung, wie schwer es Richard fiel, hier zu sitzen und Zeuge dieser Tändelei zu werden.
Randal schlich dem Meister hinterher. Lange hatte er überlegt, ob er wie gewöhnlich geduldig auf seine Rückkehr warten oder ihm folgen sollte, um endlich in Erfahrung zu bringen, wohin es ihn zog, wohin er sein Geld trug und warum er jedes Mal so schlecht gelaunt zurückkehrte. Randals Füße fühlten sich an wie Wolfsklauen, gruben sich in den Boden, während er lief und lief. Der Meister war seinen Blicken entschwunden. Randal hob die Nase in die Luft. Er nahm Witterung auf wie ein Wolf, der das Rudel sucht. Er hetzte und rannte, bis er fühlte, dass der Meister ganz nahe war. Dann sah er ihn! Eine Pforte öffnete sich, und die Schwärze dahinter verschluckte den Meister. Randal fürchtete ihn zu verlieren, zitterte am ganzen Leib, schwitzte, folgte ihm, suchte nach einem Weg, um auf die andere Seite der hohen Mauer zu schauen, hinter der sein Meister verschwunden war. Gott sieht dich! Randal schauderte. Hitze und Kälte wechselten sich ab wie im Fieberwahn. Dann sah er den Meister plötzlich über eine Wiese laufen, sah, wie er einen Mönch in die Arme schloss, ihn herzte und küsste. Randals Hand fuhr zum Hals. Luft! Er brauchte Luft zum Atmen. Er würgte und schwitzte.
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