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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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der obersten Stockwerke der Häuser, an denen wir vorübersausen. Es ist ein Spezialauto für Gäste, die man hier bewillkommnen möchte, denn aller Verkehr hat meinem Auto Platz zu machen, so daß es unbehindert durchfahren kann. Auf jeden Fall sind die Autos in Toulouse eine Marke, die ich noch nicht kenne. Weder Ford noch Dodge Brothers werden hier auf Absatz rechnen können, oder sie müßten sich den hiesigen Ansprüchen besser anpassen.
    Aber ich weiß schon, wo ich landen werde. Wenn mir irgend etwas merkwürdig vorkommt an den Sitten und Gebräuchen in europäischen Ländern, dann bin ich immer auf dem Wege zu einer Polizeistation oder unter den Fittichen von Cops. Ich habe daheim nie in meinem Leben je etwas mit der Polizei oder mit dem Gericht zu tun gehabt. Hier kann ich ruhig auf einer Kiste sitzen oder unschuldig im Bett liegen oder über eine Wiese Spazierengehen oder in einem Eisenbahnzuge fahren, immer lande ich auf einer Polizeistation. Kein Wunder, daß Europa vor die Hunde geht. Die Leute haben ja gar keine Zeit zu arbeiten, sieben Achtel ihres Lebens haben sie auf Polizeistationen oder mit Polizisten zu vergeuden. Darum sind die Leute auch immer so g reizt und machen so gern Krieg, weil sie sich ewig mit der Polizei herumzanken müssen und die Polizei sich mit ihnen herumzankt. Wir sollten den europäischen Ländern keinen Nickel mehr pumpen, sie geben es ja doch bloß aus, um ihre Polizei noch weiter zu vermehren. Keinen Nickel mehr, no, Sir.
    »Von wo kommen Sie?«
    Der Hohepriester sitzt wieder vor mir. Sie sind alle gleich. In Belgien, in Holland, in Paris, in Toulouse. Immer müssen sie fragen, und immer wollen sie alles wissen. Und selber begeht man immer wieder den großen Fehler, daß man überhaupt antwortet.
    Man sollte ganz still sein, gar nichts sagen und die raten lassen. Dann kämen sie alle bald ins Irrenhaus, oder sie würden die Folter wieder einführen. Aber würde man nie antworten, dann würden die Cops ja noch dümmer werden, als sie schon sind.
    Das soll man aber auch erst aushalten, da zu sitzen oder zu stehen und immerfort gefragt werden und nichts antworten. Das verfluchte Maul redet ganz von selbst, sobald einem eine Frage entgegengeschleudert wird. Das macht die lange Gewohnheit. Es ist unerträglich, einen Fragesatz schwebend in der Luft hängen zu lassen, ohne ihn durch eine Antwort wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Eine unbeantwortete Frage läßt einem keine Ruhe, läuft immer hinter einem her, drängt sich in die Träume und raubt einem die Ruhe zum Arbeiten und zum Denken. Das eine Wort »Warum?« mit einem Fragezeichen dahinter ist der Zentralpunkt aller Kultur, Zivilisation und Entwicklung. Ohne dieses eine Wort sind die Menschen nichts weiter als Affen, und wenn man den Affen dieses Zauberwort gibt, werden sie sofort Menschen. Yes, Sir.
    »Von wo Sie kommen, will ich wissen!«
    Da habe ich nun mal den Versuch gemacht, nicht zu antworten, aber jetzt halte ich es schon nicht mehr aus. Ich muß ihm etwas erzählen. Soll ich nun sagen, daß ich von Paris käme? Oder soll ich lieber sagen, ich käme von Limoges. Wenn ich Limoges sage, machen sie es vielleicht acht Tage billiger, weil Limoges ja nicht so weit ist wie Paris.
    »Ich bin in Limoges eingestiegen.«
    »Das ist nicht richtig, Mann, Sie sind in Paris eingestiegen.« Sieh mal an, wie gut die raten können.
    »Nein, ich bin nicht in Paris eingestiegen, sondern nur in Limoges.«
    »Aber Sie haben doch hier eine Bahnsteigkarte von Paris in der Tasche.«
    Da haben sie also schon wieder meine Taschen durchsucht. Ich habe das gar nicht gemerkt, weil ich schon so daran gewöhnt bin, daß es mir gar nicht mehr auffällt.
    »Oh, die Bahnsteigkarte habe ich schon lange.«
    »Wie lange?«
    »Sechs Wochen wenigstens.«
    »Das ist aber merkwürdig. Die Karte hat das Datum von gestern vormittag.«
    »Dann ist sie irrtümlicherweise vordatiert worden«, sage ich.
    »Offenbar. Also Sie sind in Paris eingestiegen.«
    »Aber von Paris bis Limoges habe ich bezahlt.«
    »Jedenfalls. Und Sie sind ein so guter Bezahler, daß Sie außer Ihrer Fahrkarte auch noch die Bahnsteigkarte gekauft haben, die Sie gar nicht brauchten, wenn Sie eine Fahrkarte hatten. Wenn Sie aber eine Karte bis Limoges hatten, wo ist dann diese Karte.«
    »Die habe ich in Limoges abgegeben«, antworte ich.
    »Dann hätten Sie aber doch eine Bahnsteigkarte von Limoges haben müssen. Aber lassen wir das. Wollen wir erst einmal die Personalien festhalten.«

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