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Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Titel: Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerová
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gewundert, wenn sie oder ihre Komplizen mit der Zeit einer nach dem andern geschnappt wurden.« Hier hielt sie inne, lachte kurz. Später haben wir erfahren, daß sie die Nebenwohnung von Max Braun gemietet hatte, eine Wand entsprechend herrichten ließ und, wenn er seine Kuriere empfing, sie sozusagen in seinem Schrank mit dabeisaß.
    Meine Freundin Tonka lag in der Zelle neben der Mory. Manche ihrer Geschichten verschlug ihr buchstäblich den Atem. Dann schwieg sie. Das mochte die Mory nicht, sie brauchte Erfolg, selbst hinter den Gittern im Haus zur kleinen wilden Ranke.
    »Kennst du eigentlich Stalin?« fragte sie Tonka einmal. Die verneinte lachend, so kurios erschien ihr das. »Was ist da so komisch?« brauste die Mory auf. »Ich zum Beispiel kenne Goebbels.«
    Als wir beide, Tonka und ich, ebenso abrupt und ohneErklärung, wie wir eingeliefert worden waren, aus der Petite Roquette wieder abtransportiert wurden, saß Carmen Maria Mory noch in der 11. Division. Nach ihrer Verurteilung war sie wortkarger geworden.
    »Hast du Berufung eingelegt?« fragten die anderen Frauen immer wieder flüsternd. »Hast du an den Präsidenten der Republik geschrieben?«
    »Ich warte«, pflegte die Mory jedesmal zu antworten. »Laßt mich in Ruhe, ich warte.«
    Ins Lager Rieucros, wohin man uns aus dem Gefängnis gebracht hatte, verirrte sich ab und zu eine Zeitung, zumeist als Packpapier. Eines Tages las ich in der Lagerküche unter einem neuen Topfdeckel eine kurze Nachricht, ließ alles liegen und stehen und lief zu Tonka. Monsieur Lebrun, hieß es da nämlich, der Präsident von Frankreich, habe die zum Tode verurteilte Carmen Maria Mory begnadigt. Wir waren nicht sonderlich überrascht.
    Später, sehr viel später erfuhr ich, was der eigentliche Grund für die Verhaftung von Carmen Maria Mory zu Beginn des Jahres 1938 gewesen war. Nicht die Tatsache, daß sie im Schrank hockend Namen und Adressen deutscher Widerstandskämpfer aus dem Saargebiet notiert hatte, um sie der Gestapo und dem Sicherheitsdienst auszuliefern. Das beunruhigte die französischen Behörden nicht sonderlich. Aber in den Monaten, da ganz Europa den Atem anhielt, weil die Generalprobe des künftigen Krieges bereits im Süden des geplagten Kontinents, auf der Iberischen Halbinsel, stattfand, bereiste die Schweizerin mit den perfekten, akzentfreien Französischkenntnissen scheinbar völlig bedeutungslose Dörfer im Norden Frankreichs. Schwatzte mit Schulkindern auf ihrem Heimweg, verwickelte Bauernim Gasthaus, Frauen beim Einholen in harmlose Plaudereien. Aber die scheinbar bedeutungslosen Dörfer lagen samt und sonders in unmittelbarer Nähe der Maginot-Linie, und die harmlosen Plaudereien holten zielsicher von der deutschen Wehrmacht angeforderte Informationen über den französischen Verteidigungswall an der Grenze des Landes aus den ahnungslosen Menschen heraus. Deshalb war die Mory zum Tode verurteilt worden.
    Begnadigt wurde sie auf Grund eines durchaus realen Handels. Sie könnte weiterleben, hieß es da, falls sie in Hinkunft statt für den deutschen nunmehr für den französischen Nachrichtendienst zu arbeiten bereit wäre. Die Schweizerin war von keinerlei patriotischen Komplexen behaftet. Statt einer Kugel neue Macht? Präsident Lebrun konnte dem Gnadengesuch stattgeben.
    »Ich warte«, hatte die Mory im finsteren Haus zur kleinen wilden Ranke erklärt. »Laßt mich in Ruhe, ich warte.«
    »Heutzutage klingt so etwas schon wie ein billiger Roman«, bemerkte der Mann mit der Pfeife. »Eine Spionin, die sich im Schrank versteckt, Kinder und Hausfrauen aushorcht, auf den primitivsten Kuhhandel eingeht. Die nüchternen jungen Menschen von heute können das alles gar nicht mehr glauben.«
    »Ich weiß«, sagte ich und tauchte einen Würfel Zucker in den inzwischen kalt gewordenen Kaffee, »jeder Verlag würde diese Geschichte als unwahrscheinlich ablehnen.«
    »Und jeder gescheite Filmregisseur würde danach schnappen«, meinte der andere Mann. »Weißt du noch mehr über diese Person?«
    Noch mehr? Ich lutschte an dem kaffeegetränkten Würfel und zögerte. Mein Kopf schmerzte. Am Schwanensee hängt das Bild, an der Wegkreuzung stehen, für immer erstarrt, die kahl geschorenen Bronzemädchen, und ich saß hier, in der warmen Wirtsstube, und gab eine hot story zum besten.
    »Bist du müde? Soll ich dir noch einen Kaffee bestellen?« Der Mann mit der Pfeife blickte mir aufmerksam ins Gesicht. »Hör auf zu erzählen, wenn du nicht mehr kannst.«
    Ob die

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