Das Traumtor Band II (German Edition)
sein sollte, damit sie sich schnell an die Sitten und Gebräuche ihrer neuen Untertanen gewöhnte. Wie Leston vorausgesagt hatte, besserte sich Rowins Zustand jedoch von einem Tag auf den anderen, und zwei Tage nach der Abreise der Muranen erwachte er am Morgen so, als habe er nie das Bett hüten müssen. Man verschwieg Ilin jedoch die Veränderung der Lage, bis Leston Rowin am Nachmittag meldete, dass nun Ilins Zofe an der gleichen Krankheit litt, von der Rowin gerade genesen war. Also begab sich Rowin an jenem Abend das erste Mal wieder zur gemeinsamen Tafel. Ilin war hoch erfreut und versprühte während der Mahlzeit ihren Charme in so reichem Maße, dass sich die Anwesenden nur mit Mühe ihrem Zauber entziehen konnten. Jemand, der Ilins Charakter nicht kannte, wäre bedingungslos und mit fliegenden Fahnen zu ihr übergegangen. Doch Rowin, Deina und Targil wussten nur zu genau, was sie durch Ilins Rücksichtslosigkeit verloren hatten. Ihr Groll auf diese Frau saß zu tief, als dass sie sich von ihrer Ausstrahlung hätten blenden lassen. Am Ende des Mahls zog sich Ilin lächelnd zurück, jedoch nicht ohne Rowin verheißungsvolle Blick zuzuwerfen.
Als Ilin gegangen war, erhob sich Rowin. „Diese Nacht wird Ilins Niederlage besi egeln!“ lächelte er grimmig. „Ich habe deutlich gespürt, dass sie nicht nur Theater spielt. Sie ist wirklich in mich verliebt, und daher wird meine Rache nun umso vollkommener sein. Ich werde ihr Leben genauso vergiften, wie sie es mit dem meinen getan hat. Heute endet Ilins Traum genauso abrupt, wie an jenem verhängnisvollen Morgen der meine zerrann. Ich weiß, dass sie sich nicht so schnell damit abfinden wird, denn schwerwiegender als die Enttäuschung ihrer Liebe wird die Erkenntnis ihrer Niederlage sein. Ilin wird es nicht verkraften, dass sie mich nicht wie alle anderen zum Spielzeug ihrer Launen machen kann. Sie wird erfahren müssen, dass unter dem glänzenden Firnis ihres vermeintlichen Sieges die Bitterkeit des Verzichts zum Vorschein kommt.“ Dann trat er zu Targil und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ich muss noch ein wenig frische Luft schnappen“, sagte er. „Ilins verhasste Gegenwart legt sich wie ein drückendes Gewicht auf meine Brust. Ich muss ein wenig frei atmen können, bevor ich ihre Nähe wieder ertragen kann. Und außerdem schadet es nicht, wenn sie ein bisschen auf mich warten muss. Es wird ihr Verlangen nach mir erhöhen. Willst du mich in den Garten begleiten?“
Targil erhob sich und folgte Rowin. Sie traten hinaus in die laue, duftende Somme rnacht Valamins, die mit tausenden Sternen übersät war. Rowin atmete tief durch und seufzte.
„Eine Nacht wie geschaffen für die Liebe!“ sagte er dann leise. „Solch eine Nacht war es, als ich Athama das erste Mal in den Armen hielt. Ein Jahr ist das nun her, doch es ist mir, als sei es gestern gewesen, so klar ist mir die Erinnerung daran. Und genauso klar ist die Erinnerung an jenen schrecklichen Morgen, als ich sie nicht mehr neben mir fand. Oh Targil! Wird dieser Schmerz jemals enden?“
„Ich trauere mit dir, mein Freund“, antwortete Targil. „Doch ich glaube nicht, dass dein Schmerz je enden wird. Er mag mit der Zeit milder werden, doch vergehen wird er wohl nie. Dazu war das, was dich mit Athama verband, zu tief.“
„Wo mag sie jetzt sein, Targil? Was fühlt sie? Denkt sie an mich, genau wie ich an sie? Was gäbe ich darum, könnte ich sie nur noch einmal sehen, sie noch einmal in den Armen halten! Könnte ich doch das Rad der Zeit zurückdrehen!“
„Quäle dich nicht, Rowin!“ bat Targil. „Du weißt, es ist vergebens. Die Götter haben es anders bestimmt, und wir Sterblichen sind machtlos gegen ihren Ratschluss.“
„Aber haben die Götter nicht auch dir und Deina geholfen?“ begehrte Rowin auf. „Gab nicht Horan selbst ihr das Schwert, mit dem sie die Dämonin vernichten konnte, die dich in ihrer Gewalt hielt? Warum hilft er nicht mir?“
„Deina kämpfte nicht für sich selbst, sondern für die Befreiung unseres Volkes aus der Macht der Dämonin“, antwortete Targil ernst. „Darum wurde ihr Horans Hilfe zuteil. Du aber verlangst den Beistand des Gottes für dein persönliches Glück. Doch das Schicksal des Einzelnen haben die Götter in dessen Hände gelegt. Auch mir hat Horan nicht geholfen, als ich durch eigene Torheit in die Klauen der Dämonin geriet. Nimm dein Schicksal an, Rowin! Du selbst hast es dir bereitet. Dein Verlangen nach Ilin hat einst den Ausschlag
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