Das Traumtor (German Edition)
wildem Galopp am Waldrand entlang auf mich zu preschen. Ich erkannte Rowin und sprang auf. Ach du liebe Güte! Na, das würde ein Donnerwetter geben! Wenn er sich schon selbst hinter mir her machte, mußte ich wohl ein Staatsverbrechen begangen haben, als ich allein fortritt. Trotzig schob ich die Unterlippe vor. Na, er sollte nur kommen! Ich würde ihm schon klarmachen, daß ich nicht gewillt war, mich an der Leine halten zu lassen. Schließlich war ich ein freier Mensch und Herr meiner Entschlüsse, kein kleines Kind, das man ständig beaufsichtigen mußte. Da war er auch schon heran und brachte sein Pferd abrupt zum Stehen. Schon während er absprang, rief er mir zornig zu:
„Gelten in diesem Land meine Befehle denn überhaupt nichts mehr? Wie konntest du nur allein fortreiten, du, eine Fürstin, ohne Schutz – und noch dazu völlig ohne Waffen? Was hast du dir bloß dabei gedacht? Wolltest du mich bloßstellen?“ Er packte mich bei den Schultern und schüttelte mich derb. Ärgerlich riß ich seine Hände weg.
„Was soll das Theater?“ fragte ich kalt. „Ich bin keine verzärtelte Prinzessin, die ständig zehn Lakaien um sich braucht. Ich bin durchaus in der Lage, allein auf mich aufzupassen. Du hättest wissen müssen, daß ich mich nicht festbinden lasse, und erst gar nicht solch törichte Befehle geben sollen. Wenn ich allein ausreiten will, werde ich das tun, es sei denn, du drohst mir wieder mit deinem Kerker.“
„Athama, bring mich nicht in Rage!“ funkelte mich Rowin wütend an. „Wenn ich Befehl gegeben habe, daß du nicht ohne Begleitung ausreitest, dann hat das seinen Grund. Abgesehen einmal von den höfischen Regeln, das niemals ein weibliches Mit-glied der königlichen Familie allein das Schloss verläßt, ist es zudem recht gefährlich, was du getan hast. In diesen Wäldern gibt es wilde Tiere, Bären, Wölfe, Luchse und was weiß ich noch alles! Was würdest du ohne Waffe gegen sie ausrichten wollen?“
„Erzähl mir keine Schauermärchen!“ lächelte ich geringschätzig. „Keines dieser Tiere würde einen Menschen ohne Grund angreifen. Im Gegenteil, sie fliehen die Nähe des Menschen, zumal in dieser Jahreszeit, wo sie überall noch genügend zu fressen finden. Also red keinen Unsinn! Ich bin kein dummes Kind. Gib lieber zu, daß du nur wütend bist, weil ich mich über deinen Befehl und die Hofetikette hinweggesetzt und somit deinen Stolz verletzt habe.“
„Du bist ein dummes Kind!“ sagte Rowin verächtlich. „Muß ich dir also tatsächlich erklären, daß du als Geliebte des Königs von Valamin eine wichtige Rolle spielst? Nicht alle unsere Nachbarn sind friedlich, auch wenn wir zurzeit keine Kriege führen. Aber mit dir als Druckmittel in der Hand könnte man mir recht gut Schwierigkeiten bereiten. Glaubst du nicht, daß man schon überall von dir weiß? Was meinst du, wie schnell es bekannt würde, daß du allein durch die Gegend reitest – Freiwild für jeden, der sich deiner bemächtigen will!? Was sollte ich deiner Meinung nach dann tun, wenn jemand dich entführt? Dich in den Händen dieser Leute lassen, weil du so dumm warst, ohne Schutz auszureiten? Na, antworte, du Dreimalgescheite!“
Ich sah ein, daß er im Recht war. Ich hatte wirklich unüberlegt gehandelt. Ich war nun einmal hier kein gewöhnlicher Mensch, sondern stand an exponierter Stelle. Da mußte man sich gewissen Regeln beugen. Aber hatte er mir das nicht sagen können? Mußte er mich so herunterputzen? Und dann noch in diesem verächtlichen Ton? Ich hatte gedacht, der liebte mich so sehr!
„Gut, gut!“ antwortete ich wütend. „Ich gebe zu, daß du Recht hast. Aber konntest du mir nicht vorher sagen, welche Anordnungen du in Bezug auf meine Person gegeben hast? Dann hätte ich mich danach gerichtet. Aber nur einfach etwas zu verbieten, ohne jede Erklärung, zeugt nicht von sehr viel Achtung mir gegenüber.“
„Hör mir einmal zu, Athama!“ sagte Rowin kalt. „Ich liebe und achte auch mein Volk, das weißt du. Aber wo käme ich hin, wenn ich jeden meiner Befehle erst erklären wollte! Ich erwarte von meinem Volk, das es mir vertraut und meine Befehle befolgt, und genau das tut es auch, weil es weiß, daß es nicht schlecht dabei fährt. Kann ich von dir nicht das gleiche erwarten? Nimm doch einfach einmal an, ich hätte in solchen Dingen etwas mehr Erfahrung als du und wisse genau, was ich tue, was man von dir nicht immer behaupten kann. Ich erwarte von dir, daß du dich in Zukunft an meine
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