Das Treffen
die Ecke verschwunden.
»Mann, war der angepisst«, sagte Finley.
»Was, wenn er sie erwischt?«, fragte Helen.
»Wird er nicht.«
»Los«, sagte Abilene und richtete sich auf. Sie ging über die Veranda zur Tür, die sperrangelweit offen stand. Ihre Knie zitterten, und das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
»Hoffentlich war er allein«, flüsterte Vivian.
»Wer will denn mit so einem Wichser zusammenwohnen?«, fragte Abilene.
»Ein anderer Wichser vielleicht?«, schlug Helen vor.
Abilene trat auf die Schwelle, wobei sie versuchte, nicht auf die verkohlten Überreste und die braune Matsche zu treten. Sie beugte sich vor und spähte in das Wohnzimmer, das sich zur Rechten des gefliesten Korridors befand.
Außer ihrem eigenen Herzschlag konnte sie nichts hören.
»Bringen wir's hinter uns«, sagte Vivian.
Abilene nickte, schüttelte die Rasierschaumdose und öffnete den Deckel. Sie schlich sich durch den Flur und trat auf den Teppich im Wohnzimmer. Der Fernseher war ausgeschaltet und der Raum nur durch eine einsame Lampe neben dem Sofa erhellt. Die matte Glühbirne warf dunkle Schatten in die Zimmerecken.
»Niemand hier«, sagte Finley.
»Ich glaube …«
Ein Ei zischte an Abilenes Gesicht vorbei und zerbrach auf dem Teppich.
»Vorsicht.«
Finley lachte.
Ein weiteres Ei segelte vorüber und landete direkt über dem Fernsehapparat. Sein Inhalt floss die Wand hinunter. Abilene wandte sich um und beobachtete Vivian und Finley, die ebenfalls Eier aus dem Karton nahmen, den Helen in der Hand hielt, und durch den Raum schleuderten. Die Geschosse hatten bald die Wände, die Decke, den Beistelltisch und einen Schaukelstuhl in der Ecke mit gelbem Dotter überzogen.
Abilene rannte zum Beistelltisch, auf dem ein zur Hälfte gefülltes Wasserglas stand. Sie verpasste dem Wasser ein Sahnehäubchen aus Rasierschaum. Während um sie herum die Eier zersprangen, zeichnete sie weiße Schnörkel auf die Tischplatte. Dann war das Sofa an der Reihe. Das Polster war mit einem alten Bettlacken bedeckt – der Rasierschaum würde also nicht allzu viel Schaden anrichten. Sie arbeitete sich langsam vor und verzierte alles mit dicken, luftigen Mustern.
Sie war völlig konzentriert, bis sie das Ende des Sofas erreicht hatte.
In der Dunkelheit dahinter erkannte sie einen Stuhl, den sie schon vorher bemerkt hatte. Da er im Schatten lag, war ihr nicht aufgefallen, dass es sich um einen Rollstuhl handelte.
Irgendetwas war auf der Sitzfläche.
Eine zusammengeknüllte Decke, auf der etwas Kleines, Rundes lag, das stark an einen Kopf erinnerte.
Ihr Herz blieb fast stehen.
Sie starrte das Ding an. Es bewegte sich nicht. Es machte auch keine Geräusche. Eigentlich sah es nicht wie ein Kopf aus, sondern wie eine geschälte Grapefruit auf einem Stiel. Trotzdem schien es ein Gesicht zu haben.
Eine Schaufensterpuppe? Vielleicht eine dieser aufblasbaren Sexpuppen.
»Hey«, sagte sie leise. »Schaut mal.«
»Was?« Finley ging zu ihr hinüber. »Was denn?«
»Ich weiß nicht genau.«
»Wir sollten verschwinden«, sagte Vivian, die gemeinsam mit Helen ebenfalls den Fund in Augenschein nehmen wollte.
Finley zog eine Taschenlampe aus dem Overall. Sie schaltete sie an und richtete sie auf das Ding im Rollstuhl.
Der kleine Kopf war haarlos und hatte die Farbe von nassem, totem Laub. Das Gesicht sah aus, als hätte es ein Kleinkind hastig aus Pappmaschee gefertigt: klumpiges Fleisch, wie mit Fingerspitzen geformte Augenhöhlen, eine grobe Nase und eine geschlitzte Mundöffnung über einem schmalen Kinn.
»Das … das ist doch keine Leiche, oder?«, flüsterte Helen.
»Um Himmels willen, nein«, sagte Finley. »Das ist eine Puppe. Eine selbst gemachte Puppe noch dazu.«
»Wie hässlich«, befand Vivian.
»Anscheinend feiert der Typ doch Halloween«, sagte Finley. »Halt mal. Das muss ich mir ansehen.«
Sie reichte Abilene die Taschenlampe.
Dann hob sie die Kamera, schwenkte durch den verwüsteten Raum und ließ sie schließlich auf dem grausigen Ding im Rollstuhl ruhen. »Sag mal ›Cheese‹.«
Es sagte »Cheese«.
Der Mundschlitz öffnete sich, und es sagte »Cheese«. Die Stimme klang wie eine Schallplatte, die man sehr langsam abspielte. Eine dünne, kratzige Stimme. Eine Stimme, die durch den Raum hallte.
»Scheiße!«, kreischte Finley.
Helen gab ein hohes, winselndes Geräusch von sich.
Vivian würgte.
Abilene machte sich in die Hose.
Die vier Mädchen rannten, bis sie den Supermarkt erreicht hatten. Wie geplant
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