Das Trumpf-As der Hölle
eine Hölle.
Vier Schritte von der Tür bis zum Fenster, zwei von Wand zu Wand. Ein fast schon perverser Spaziergang.
Über die Schrift hatte ich auch nachgedacht. Sie war plötzlich verschwunden, einfach so. Aber ich ahnte, dass sich etwas über meinem Kopf zusammenbraute, und zwar nicht eingeleitet durch Todd, sondern durch einen anderen unbekannten Mann. Wahrscheinlich Arsenius. Zudem nahm ich an, dass er über meine Funktion genau Bescheid wusste. Klar, mein Name war in gewissen Kreisen bekannt und auch gefürchtet. Arsenius hielt Kontakt zu den Schwarzblütlern. Sicherlich hatte er erfahren, dass ich neu eingeliefert worden war und sofort seine Schlüsse gezogen.
In der ersten Nacht hatte ich ziemlich unruhig bis zum Fünf-Uhr-Wecken geschlafen. In der zweiten Nacht allerdings hatte ich von dem Schlüssel Gebrauch gemacht und war unterwegs gewesen. Nur auf Socken war ich durch die Gänge geschlichen.
Auch nachts ist ein Zuchthaus nie ruhig. Irgendwo gibt es immer Geräusche. Da summte es, da waren Schritte zu hören, da drangen seltsame Laute aus den Zellen. Eine beklemmende und unheimliche Atmosphäre, wie mir schien.
Irgendwelche Vampire oder Werwölfe hatte ich nicht gesehen. Auch von draußen waren keine Heullaute zu hören gewesen. Mir schien es wie die Ruhe vor dem großen Sturm.
Zweimal hätte man mich fast erwischt. Nur im letzten Augenblick konnte ich jeweils den wachen Augen eines Wärters entgehen. Aber ich hatte das Zuchthaus besser kennen gelernt und stellte mir so manches Mal das dumme Gesicht des Oberaufsehers vor, wenn er erfuhr, dass ich nächtens heimliche Spaziergänge unternahm.
Auch der dritte Tag begann so wie die beiden vorherigen. Das frühe Wecken, das deprimierende Frühstück, wo die Gefangenen ihre schlechte Laune nur mühsam zügeln konnten und dann der Abmarsch. Für die anderen zu den Arbeitsstellen, für mich in die Zelle. Jedesmal ging Todd mit. Allerdings konnte er mich nicht noch schneller scheuchen, denn er musste immer neben mir herlaufen, und ich hatte nun mal die bessere Kondition. Das schien Todd zu merken, er wurde immer wütender und begann, mich zu beschimpfen.
Als er mich wieder in die Zelle schleudern wollte, trat ich blitzschnell zur Seite und schaute ihn kalt an. »Lassen Sie das!« zischte ich. Mein Blick musste ihn gewarnt haben, denn er ging zurück und hob den rechten Arm mit dem Schlagstock. Es sah aus, als wollte er schlagen, und ich sagte: »Los, schlagen Sie zu!«
Tief holte er Luft. Sein feistes Gesicht war rot angelaufen, der Schnauzer zitterte, dann ließ er den Arm sinken: »Rein in die Zelle, verdammt!«
»Gern, Herr Oberaufseher!« Ich drehte ihm den Rücken zu und hatte kaum die Schwelle übertreten, als er die Tür hart zurammte. Es klang wie ein Schuss. Mein Gott, musste dieser Mann frustriert sein. Allerdings war es auch schlimm, was er hinter sich hatte.
Zwei Stunden vergingen. Nicht einmal zum Putzen wurde ich eingeteilt, hockte am Tisch und dachte daran, was Suko und Tanith wohl jetzt unternahmen. Entdeckt hatten sie sicherlich noch nichts, dann hätten sie sich schon längst mit dem Direktor in Verbindung gesetzt, und von ihm hatte ich keinen Bescheid bekommen.
Harte Schritte draußen schreckten mich aus meinen Gedanken. So ging nur Todd. Er war es auch, der die Tür öffnete, mich kurz musterte und seine Lippen verzog.
»Besuch für dich, Sinclair!«
»Lassen Sie ihn rein!«
Todd trat zur Seite, und ein mir vom Äußeren her unbekannter Mann betrat meine Zelle. Obwohl ich ihn nie zuvor gesehen hatte, wusste ich sofort, wer vor mir stand. Arsenius!
»Lassen Sie uns allein, Todd«, sagte er und lächelte, als der Aufseher die Tür schloss…
***
Ein Gasthaus hatten sie gefunden. Der Ort hieß Swampville, bestand aus ein paar Häusern, einer Kirche und zwei Gasthöfen, wo man auch übernachten konnte.
Natürlich war das Auftauchen des Chinesen und seiner aparten Begleiterin mit einer Sensation zu vergleichen. Die Leute hatten sich erst die Augen aus dem Kopf gestiert, dann tuschelten sie, aber so, dass Suko und Tanith nichts davon mitbekamen. Besonders die Frauen schauten immer auf die grünen Fingernägel der Madame, die Männer interessierten sich mehr für den vor dem Gasthaus stehenden silbergrauen Bentley. In der Nacht und auch während der spätabendlichen Dunkelheit hatte Tanith mit Hilfe ihrer Kugel versucht, Kontakt zu den Gegnern aufzunehmen. Es war ihr nicht gelungen. Die Kugel stand jetzt in der Öffnung des
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