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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
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nachgedacht, ob ich es kann, während ich in den Tagebüchern gelesen habe. Das ist klar. Aber ich bin keine Autorin, wie Mutter so gerne gesagt hat, wenn sie mich am meisten gehasst hat, und ich werde auch nie eine werden. Es ist mir einfach nicht gegeben. Im Gegensatz zu dir.«
    »Aber ich bin doch nur eine armselige Sekretärin«, wandte ich ein, ein wenig halbherzig, um ehrlich zu sein, und Nella schüttelte auch nur den Kopf.
    »Wir wissen doch beide, dass du immer schreiben wolltest«, sagte sie, und zu meiner Schande hatte sie recht. Solange ich zurückdenken kann, habe ich die durch und durch eitle Vorstellung gehegt, dass es meine eigentliche Bestimmung sei, Bücher zu schreiben. Romane, um genau zu sein. Und als ich mir hundert Romanversuche später eingestehen musste, dass ich nicht eine einzige zusammenhängende Geschichte in mir trug, war Sekretärin schließlich besser als nichts. Wenn auch nicht viel besser.
    »Ich zweifle keinen Augenblick daran, dass du die Richtige für diese Aufgabe bist«, hörte ich Nella sagen. Eigentlich bilde ich mir ein, für Schmeicheleien nicht empfänglich zu sein, doch Nella, die meine Schreibfähigkeiten lobte, konnte ich einfach nicht widerstehen. Zumal mein alter Traum wie ein freigelassenes Zirkuspferd durch die Manege galoppierte und ich mich so gut fühlte, wie der Tag lang war. Das musste man sich einmal vorstellen! Ich konnte meiner geliebten Nella das Leben erleichtern! Eine Last von ihren zarten Schultern nehmen!
    Und außerdem … Nun ja, ich will mich nicht besser machen, als ich bin. Ein Diener ist bekanntlich nicht besser als sein Herr und ein Bote nicht bedeutender als der, der ihn gesandt hat, und so weiter. Die Sache war die, dass Madame Rosencrantz’ Biografie sich wie warme Semmeln verkauft hatte, und natürlich kam mir der Gedanke, dass dieselben Leser möglicherweise auch die wirkliche Geschichte kaufen und mit klingender Münze bezahlen würden. Nicht dass dieser Roman als Lizenz zum Gelddrucken gedacht ist, wie ich gleich betonen möchte. Ich kann auf viele erheblich leichtere Arten Geld verdienen, als hier zu sitzen und in die Tasten zu hacken. Doch als ich nickte und sagte, »Wenn du das wirklich meinst, will ich es versuchen«, und Nella den Atem anhielt und fragte, »Bist du sicher? Willst du das wirklich für mich tun?«, glaubte ich, dass wir beide ein wenig von einem Leben ohne gepantschten Haferbrei und unbezahlte Rechnungen träumten.
    Nella scharrte unter dem Tisch mit den Füßen.
    »Ich habe noch eine Idee«, sagte sie. Und bevor ich fortfahre, muss ich Sie in etwas einweihen. In etwas, das in diesem Moment passierte. Denn während Nella sprach, sah ich mich selbst in Antonias Arbeitszimmer sitzen, vor Antonias alter Remington. Und überall waren Worte. In meinem Kopf, in meinen Fingern, in ordentlichen Stapeln auf dem Schreibtisch. Ich beugte mich vor, um ein paar Seiten zu lesen, strich Stellen durch und überschrieb sie mit meinem roten Stift, und eine Frau in einem äußerst formlosen Kleid trat wie aus dem Nichts zu mir. Ihre Schritte wirkten erheblich leichter als sie selbst, und um den Hals trug sie ein Medaillon. Es baumelte von einer Seite zur anderen, als sie sich vorbeugte und mir etwas ins Ohr flüsterte. Nella sah mich besorgt an.
    »Hörst du mir überhaupt zu?«
    Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Nella schüttelte den Kopf.
    »Was ich gesagt habe, ist, dass wir, statt Liljenholm an diesen mir unbekannten Hans Nielsen zu verkaufen, auch beide hier hinausziehen könnten, nur vorübergehend. Warte, bis ich ausgeredet habe, bevor du Nein sagst. Wir sind uns einig, dass das nicht die beste Lösung ist, die die Welt je gesehen hat, aber es wäre weit billiger für uns, wenn du dein Zimmer in der Pension kündigen würdest und ich den Verlag von hier aus führen könnte. Dann kämen wir auch um die Rationierungen und die Verdunklung und die Ausgangssperre und die Schießereien herum. Hier herrscht doch Ruhe zum Schreiben, nicht?«
    »Das ist nicht dein Ernst!«
    Eine lange Furche durchschnitt jetzt Nellas Stirn.
    »Ich will dir gegenüber ganz ehrlich sein«, sagte sie. Einige ihrer Ringellocken hatten sich gelöst, und ich rechnete damit, dass sie sie zurück an ihren Platz schieben würde, doch sie sprach einfach weiter. »Meine Geschichte, dieser Ort hier verfolgt mich ohnehin die ganze Zeit, ungeachtet, wo im Land ich mich befinde. Dem muss ich endlich in die Augen sehen. Und deswegen kann ich mich auch ebenso

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