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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonora Christina Skov
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Roman, nicht wahr? Kannst du dich nicht erinnern, wie oft du davon gesprochen hast, als du hier aufgewachsen bist? Agnes, hör zu, ich biete dir die Mittel, es noch einmal zu versuchen. Du musst nur anfangen!«
    Sie klang, als würde sie selbst daran glauben. Alles war genau wie immer. Wenn Lillemor mich zum Abendessen einlud, gab es immer einen Grund, warum sie das tat.
    »Vielen Dank, ich komme gut zurecht.«
    »Aber es gibt doch viele … wie dich … die erfolgreich Bücher schreiben, Agnes. Warum willst du dem nicht noch eine Chance geben? Sekretärin zu sein war doch nie richtig deins.«
    Ich fischte die zerknüllte Zeitung aus meiner Tasche, strich sie glatt, bis meine Hände ganz schwarz waren, und reichte ihr die mittleren Seiten. Sie raschelten in ihren Händen, als sie sie ins Licht hielt. Sie kniff die Augen zusammen.
    »Was soll ich mir ansehen?«
    »Die Annonce. Ich werde mich um die Stelle bewerben, mir eine ordentliche Arbeit suchen. Es dürfte wohl allmählich an der Zeit sein.«
    Sie schwieg hinter der Zeitung. Vielleicht war sie nur müde oder aber der Vodroffsvej erinnerte sie zu sehr an das Kinderheim und das Gesindel, das sie mit nach Hause genommen hatte. Jedenfalls war sie leichenblass, als sie die Zeitung fallen ließ. Sie stand abrupt auf und stapelte Teller und Besteck zu einem klirrenden Stapel.
    »Ich hole das Dessert«, sagte sie. Doch sie kam nur bis zur Tür.
    »Du darfst dich nicht um die Stelle bewerben, Agnes, das darfst du einfach nicht.«
    Sie sah aus, als würde sie gleich alles auf den Boden fallen lassen. Ich sprang auf.
    »Ja, aber warum denn nicht?«
    Ich stand direkt hinter ihr und roch ihr Parfüm, das nach Zimt duftete. Oder war es der Apfelkuchen, den sie gebacken hatte? Der einzige Kuchen, den ich esse.
    »Das darfst du einfach nicht«, sagte sie mit zusammengepressten Lippen. Eigentlich hätte sie mich besser kennen müssen. Wenn ich etwas nicht darf, tue ich genau das. Ich war achtunddreißig, und ich brauchte eine respektable Arbeit, ein ordentliches Gehalt und ruhige Nächte. Nicht Lillemors Geld und sinnlose Warnungen. War ich denn nicht eine kompetente Sekretärin? Und konnte ich Memoiren nicht schneller und besser ins Reine schreiben als jede andere? Die Antwort ergab sich von selbst. Noch am selben Abend wählte ich die Nummer aus der Annonce, und wenige Tage später zog ich meine vornehmsten Sachen an und begab mich in den Vodroffsvej. Mein neues Leben!, jubelte ich leise und nickte den Leuten auf der Straße zu, ich wusste es eben nicht besser, als mich zu freuen. Hin und wieder ist der Augenblick wahrlich eine Gnadengabe.

Weiße Kleider
    Bevor ich Ihnen all das erzähle, was mich im Vodroffsvej erwartete, muss ich ein ganz anderes, empörendes Erlebnis mit Ihnen teilen. Es hat sich hier in Antonias Arbeitszimmer zugetragen, das längst zu meinem Arbeitszimmer geworden ist. Ich habe mir erlaubt, in den Schubladen Platz für alle Manuskriptseiten und im Regal für eine lange Reihe gebundener Bücher aus dem Turmzimmer zu schaffen, die ich irgendwann einmal lesen möchte. Nella zufolge handelt es sich um unumgängliche Klassiker, und das wird dann schon stimmen. Namen wie Horace Walpole und Clara Reeve sagen mir nicht viel. Ann Radcliffe und Wilkie Collins, Charlotte Brontë und Mary Shelley warten auch auf mich. (Was für Namen! Vielleicht sollte ich wirklich ein Pseudonym in Erwägung ziehen?) Karen Blixen und Charles Dickens kenne ich natürlich vom Namen her, ganz so dumm bin ich nun auch wieder nicht. Mitten zwischen Antonias eigenen Büchern habe ich übrigens drei Romane von einer Autorin namens Daphne du Maurier entdeckt. Sie stehen allerdings nicht mehr Seite an Seite mit den unumgänglichen Klassikern , denn als ich sie Nella gezeigt habe, hat sie sie mir fast aus der Hand gerissen. Es handelte sich um signierte Erstausgaben. With affection, Daphne .
    »Verstehst du nicht, was das bedeutet?«
    Nella wedelte mit den Büchern in der Luft herum, deren Titel Der Geist von Plyn , Ich möchte nicht noch einmal jung sein und Karriere lauteten. Ich äußerte hinter vorgehaltener Hand, dass Antonia auf ihre alten Tage wohl eine Freundin gehabt haben musste. Nella sah mich entgeistert an. Man hätte glauben können, jemand hätte rote Wasserfarbe auf ihren Wangen verteilt.
    »Du hast doch von Rebekka gehört? Dem Millionen-Bestseller?«
    Ich sah sie ebenfalls entgeistert an, weil ich glaubte, sie spräche von dem Film Rebekka mit Laurence Olivier und Joan

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