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Das Ultimatum

Das Ultimatum

Titel: Das Ultimatum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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Leichenwagen zurückgebracht. Als der Wagen zum Stillstand kam, wurde die Hecktür geöffnet, und sechs Soldaten hoben den Sarg aus dem Leichenwagen und legten ihn auf die Rollbahre.
    Präsident Stevens hatte nach Rücksprache mit der Familie des Toten verfügt, Basset in die Trauerfeier aufzunehmen, die bereits für Senator Fitzgerald, den Abgeordneten Koslowski und Senator Downs organisiert worden war. Alle vier Verstorbenen hatten in ihrem Testament festgehalten, dass sie in ihrem Heimatstaat beigesetzt werden wollten. Nicht zuletzt aus Gründen der Sicherheit war man übereingekommen, nur eine Trauerfeier für alle vier Politiker abzuhalten.
    Der Sarg wurde im Aufzug nach oben ins Erdgeschoss gebracht, wo ihn die sechs Soldaten über den Flur trugen und auf dem schwarzen Katafalk absetzten. Die vier mit US-Fahnen bedeckten Särge standen direkt unter dem Mittelpunkt der großen Kuppel des Kapitols. Es war fast zehn Uhr vormittags, und mit Ausnahme einer Militärgarde war die Rotunde menschenleer.
    Die Familien bekamen nacheinander Gelegenheit, ungefähr eine halbe Stunde mit ihrem Verstorbenen allein zu sein. Zu Mittag wurden dann die Medien eingelassen; die Kameras wurden eingeschaltet, und auch die Senatoren und Abgeordneten kamen, um ihren toten Kollegen die letzte Ehre zu erweisen. Kurz nach zwei Uhr wurden die Politiker in abgesicherte Bereiche des Kapitols geführt, und die Türen wurden für alle geöffnet, die sich von den Toten verabschieden wollten. Bis kurz nach Mitternacht defilierte ein steter Strom von Menschen an den Särgen vorbei.
     
    Senator Erik Olson saß in seinem Arbeitszimmer und überlegte, ob er etwas tun sollte, das allen Ratschlägen des Präsidenten, des FBI, des Secret Service und seiner Frau zuwiderlief. Es war fast ein Uhr nachts, und er konnte nicht schlafen. Allzu viele Gedanken gingen ihm im Moment durch den Kopf. Er wusste, dass es richtig und ehrenhaft wäre, hinter den Särgen herzugehen, wenn sie vom Kapitol ins Weiße Haus gebracht wurden. Bassets Ermordung am helllichten Tag hatte allen Abgeordneten und Senatoren deutlich vor Augen geführt, wie verwundbar sie waren. Basset hatte einen umfassenderen Schutz als alle seine Kollegen genossen, und sie hatten ihn dennoch erwischt. Aber nicht nur das – die Täter waren auch noch entkommen, ohne eine Spur zu hinterlassen.
    Das FBI und der Secret Service wollten nun keinerlei Risiko mehr eingehen, und die Politiker zeigten sich mittlerweile nur zu bereit, die Ratschläge der Sicherheitskräfte zu befolgen. Als man an diesem Tag die letzten Sicherheitsvorkehrungen für den Trauerzug getroffen hatte, wurde unter anderem beschlossen, dass niemand, nicht einmal die Angehörigen, hinter den Särgen hergehen sollte. Keiner der Senatoren und Abgeordneten hatte einen Einwand gegen diese Maßnahme vorgebracht. Keiner wollte so enden wie die vier Verstorbenen.
    Aus verschiedenen Gründen war Olson jedoch der Überzeugung, dass er sehr wohl die Särge begleiten sollte. Erstens war es eine Tradition, die gewahrt werden sollte, und zweitens fand er, dass die verantwortlichen Politiker dieses Landes zeigen mussten, dass sie keine Angst hatten. Es war gerade jetzt wichtig, dass jemand Führungsqualitäten zeigte. Die Politiker versteckten sich jetzt hinter verschlossenen Türen und Leibwächtern. Olson verstand seine Kollegen nur zu gut – vor allem auch jene, die als Politiker besonders rücksichtslos und verantwortungslos agiert hatten. Der Senator aus Minnesota war mit den vier Ermordeten einigermaßen gut ausgekommen, doch er machte sich keine Illusionen über ihre charakterlichen Schwächen. Sie hatten sich als Politiker an keinerlei moralische Prinzipien gehalten.
    Als gelernter Historiker machte sich Olson vor allem Sorgen über die Konsequenzen, die diese Morde auf das politische Leben in Amerika haben könnten. Die Geschichte ist ein großer Lehrmeister, hatte er seinen Studenten immer wieder gesagt. Dass sich die Geschichte nicht selten wiederholte, hatte verschiedene Gründe; zum einen lag es daran, dass sich die Menschen nicht allzu sehr verändert hatten, zum anderen aber auch daran, dass historische Ereignisse eine gewisse Vorbildwirkung haben konnten. Olson wollte nicht, dass das, was gerade in diesem Land passierte, von anderen nachgeahmt wurde. Das, was vergangenen Freitag begonnen hatte, musste unter allen Umständen gestoppt werden. Es durfte in einer Demokratie keinen Platz für terroristische Akte geben. Irgendjemand

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