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Das Ultimatum

Das Ultimatum

Titel: Das Ultimatum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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flüsterte ihr zu: »Ich will dich nie verlieren.«

15
    Von halb elf bis halb zwölf Uhr vormittags redete alle Welt, von seiner Sekretärin bis hin zum Präsidenten, auf Senator Olson ein, um ihn von seinem Entschluss abzubringen. Olson blieb jedoch standhaft, und nachdem es der Präsident kurz vor Beginn des Trauerzugs noch einmal vergeblich versucht hatte, beschloss man, ihm seinen Willen zu lassen.
    Um 11:55 Uhr trafen vier Leichenwagen, ein jeder von sechs weißen Pferden gezogen, vor dem Kapitol ein. Senator Olson betrachtete mit Bewunderung die Präzision, mit der die jungen Soldaten jeden einzelnen Sarg vom Katafalk hoben und damit zur Tür schritten. Als Olson hinausgehen wollte, um die Särge zu begleiten, legte ihm jemand die Hand auf die Schulter. Der dünne, klein gewachsene Senator drehte sich um und sah das reumütig lächelnde Gesicht von Michael O’Rourke vor sich.
    »Das gestern Abend tut mir Leid, Erik.«
    Olson hob den Arm und tätschelte freundschaftlich O’Rourkes Hand. »Danke, dass du gekommen bist, Michael. Das bedeutet mir sehr viel.« Die beiden Männer schritten zur Tür hinaus und gingen die Stufen des Kapitels hinunter.
    Einer nach dem anderen wurden die Särge hinuntergetragen und auf die schwarzen zweirädrigen Wagen gelegt. Als auch der letzte Sarg auf seinem Wagen ruhte, wurde ein Befehl gegeben, und ein einsamer Trommler begann den Rhythmus vorzugeben. Einer alten militärischen Tradition entsprechend, folgte auf jeden Sarg ein Pferd und ein Soldat, der daneben herging. O’Rourke, Olson und vier Leibwächter des Senators folgten nach dem letzten reiterlosen Pferd. Ein weiterer Befehl wurde erteilt, und der Trauerzug setzte sich im Rhythmus der Trommelschläge in Bewegung.
    An den Straßenrändern hatte sich eine große Menschenmenge angesammelt, und auch die Medien waren vollzählig vertreten, als sich der Trauerzug langsam und würdevoll über die Pennsylvania Avenue auf das Weiße Haus zubewegte. Für die Medienvertreter besonders interessant war die Tatsache, dass Senator Olson als Einziger der gegenwärtig 531 Abgeordneten und Senatoren an dem Leichenzug teilnahm. Von O’Rourke nahm niemand Notiz, weil man ihn für einen von Olsons Leibwächtern hielt.
    Das große, aus rotem Backstein erbaute Kolonialstil-Haus stand auf einem abgelegenen, vier Morgen großen Grundstück mit Blick auf die Chesapeake Bay. Es gab an dieser Küste eine ganze Reihe solcher Anwesen, manche kleiner, andere noch größer. Keines aber war so sicher wie dieses. Der Eigentümer hatte vor einigen Jahren eine knappe Million Dollar investiert, um das alte Haus zu einer Festung auszubauen. Das äußere Sicherheitssystem umfasste Nachtsichtkameras, Bewegungsmelder und Laser-Stolperdrähte. Die nächste Linie im System stellte das Haus selbst dar. Alle Fenster waren aus kugelsicherem Plexiglas, und die Außentüren in ihren stählernen Türrahmen waren aus fünf Zentimeter dickem Stahl, der mit Furnier überzogen war. Vier Leibwächter waren rund um die Uhr zugegen.
    Der Hausherr war Arthur Higgins. Für alle, die ihn kannten oder schon von ihm gehört hatten, war er schlicht und einfach Arthur. Er hatte seit ihrer Gründung für die CIA gearbeitet, und in den vergangenen vierzig Jahren hatte er die meiste Drecksarbeit der Agency erledigt. Als Thomas Stansfield Direktor wurde, bekam Arthur den Befehl, seine Kontakte zur Central Intelligence Agency und allen anderen amerikanischen Behörden einzustellen. Er hatte den Befehl jedoch stets ignoriert.
    In der großen Bibliothek des Hauses saß Arthur an seinem Schreibtisch und verfolgte die Fernsehübertragung des Trauerzugs. Er hatte die vier Männer, die ermordet worden waren, persönlich gekannt, zum Teil sogar sehr gut. Er verspürte keine Trauer angesichts des Verlusts, was ihn jedoch keineswegs überraschte. Arthur bildete sich einiges darauf ein, ein völlig emotionsloser Mensch zu sein. Er war der Überzeugung, dass Gefühle nur das Urteilsvermögen trübten. Doch als er das Gesicht von Senator Olson auf dem Bildschirm sah, bemühte sich Arthur, den Zorn zu unterdrücken, der in ihm hochkam. Es gab nicht viele Menschen auf der Welt, die eine unmittelbare Gefühlsregung in ihm auszulösen vermochten, doch Senator Olson war einer von ihnen.
     
    Kurz bevor der Leichenzug beim Weißen Haus ankam, fiel einem der Reporter von CBS auf, dass der Mann neben Senator Olson keinen braunen Trenchcoat und keine Sonnenbrille trug wie die vier anderen Leibwächter. Er

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