Das Ultimatum
vorbeifuhr, würde er nichts dabei finden, einen Mann allein am Steuer seines Wagens zu sehen, der vor einem Geschäft stand, das rund um die Uhr geöffnet hatte. Er würde annehmen, dass der Mann auf seine Frau wartete. Wenn man ihn aber allein auf einer Seitenstraße im Wagen hätte sitzen sehen, so wäre die Reaktion wohl eine andere gewesen.
Er hielt auf einem freien Platz ganz vorne an, nahm Perücke, Kappe und Brille ab und stopfte alles in einen großen grünen Müllsack. Als Nächstes folgte die Jacke, die Kamera und die kleine Werkzeugkiste. Dann zog er rasch die Schuhe, die Hose und die Unterwäsche aus. Er war von der Hüfte abwärts nackt und schlüpfte in die Gymnastikhose und die Trainingshose. Das Flanellhemd zog er ebenfalls aus und streifte das Sweatshirt über. Zuletzt schlüpfte er in die abgetragenen Laufschuhe und überprüfte rasch, ob alles – einschließlich des Rucksacks – im Müllsack war.
Schließlich fuhr er los und bog wieder in die Wisconsin Avenue ein. Er hätte den Müllsack in einen der Container beim Geschäft werfen können, aber dann hätten ihn wohl die Obdachlosen in der Gegend gefunden – und die hätten den Fund unter Umständen der Polizei melden können. Der Killer hatte deshalb ein kleines Bürogebäude etwa drei Kilometer weiter ausfindig gemacht, wo der Müll immer am Freitagmorgen abgeholt wurde. Knapp fünf Minuten später bog er in die Gasse hinter dem kleinen Ziegelgebäude ein und hielt an. Er sprang aus dem Wagen, öffnete den Container, räumte ein paar Säcke beiseite und deckte seinen Müllsack mit anderen Säcken zu. Vorsichtig schloss er den Container, um möglichst kein lautes Geräusch zu erzeugen, und stieg in den Wagen. Sekunden später war er wieder auf der Wisconsin Avenue und fuhr in südlicher Richtung weiter.
Einige Minuten später schlängelte er sich durch das kleine Viertel namens Potomac Palisades. An der Ecke Potomac Avenue und Manning Place Lane stellte er den Wagen ab, stieg aus und schloss leise die Tür. Die Temperatur lag nur noch einige Grad über dem Gefrierpunkt, und ein leichter Wind ließ das trockene Herbstlaub rascheln. Laut Wettervorhersage sollte es am Morgen neblig werden, doch hier oben, relativ hoch über dem Potomac, war nichts davon zu sehen. Auf der anderen Straßenseite begann hinter einem schmalen Grasstreifen der Wald, der sich über einen steilen Abhang zum Potomac Parkway hinunter und weiter bis zum Palisades Park und zum Potomac erstreckte.
Er überquerte die Straße und kam zu einem schmalen Weg, den er schon einmal benutzt hatte und auf dem er den steilen bewaldeten Abhang hinunterging. Kurz vor der Straße blieb er stehen, blickte sich nach eventuell herankommenden Autos um und lief schließlich über den zweispurigen Highway und weiter zu einer kleinen Schlucht. Dort ließ er sich hinter einem mächtigen Baum nieder und blickte zur Unterseite der Chain Bridge hinauf, die von Washington nach Virginia führte. Die Lichter der Brücke erzeugten ein schwaches gelbes Leuchten, das zwischen den Baumwipfeln kaum bis zu ihm auf den Waldboden durchdrang. Der Palisades Park war keine Grünanlage, wie sie für eine Großstadt typisch war. Es gab hier weder Softball- noch Footballfelder. Man fand hier wohl einige Joggingstrecken, ansonsten aber war das Gelände entweder dicht bewaldet oder eher sumpfig.
Der Killer drückte den Beleuchtungsknopf seiner Armbanduhr und überprüfte die Zeit. Es war fast zwei Uhr nachts, und seine Komplizen würden bald hier sein. Er blickte zum Fluss hinüber und sah eine dünne Nebelschicht, die sich über dem Waldboden ausbreitete. Wenig später hörte er das Geräusch von Autoreifen auf Kies und blickte über den Rand der Schlucht hinauf. Ein blauweißer Van der Washington Post hielt über ihm an, und ein Mann im blauen Overall stieg mit zwei großen schwarzen Seesäcken aus, die er bei einem Baum abstellte. Danach stieß er drei kurze Pfiffe aus und wartete auf eine Antwort. Der Killer pfiff ebenfalls dreimal, worauf der Mann im blauen Overall zum Wagen zurückging und einstieg.
Der Killer schulterte die Seesäcke und schlüpfte zwischen den Bäumen hindurch zur Chain Bridge, unter der er auf den Fluss zuging. Der Potomac, der an dieser Stelle höchstens mit dem Kanu oder dem Schlauchboot befahrbar war, verlief nur unter dem äußersten westlichen Ende der Brücke. Während sich der Killer zum Fluss vorarbeitete, wurden die Bäume immer kleiner und standen nun nicht mehr so dicht wie
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