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Das unendliche Blau

Das unendliche Blau

Titel: Das unendliche Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Hohberg
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Wasser gerichtet, als wären dort Antworten zu finden. Antworten auf Fragen, die ständig wiederkehren, als würde irgendetwas in ihr ohne Unterlass die Repeat-Taste drücken.
    Hans stellt sich die gleichen Fragen, das weiß sie. Und obwohl sie wenig miteinander reden, ihr Vater und sie, als könnte ein überflüssiges Wort ein gerade gefundenes, noch instabiles Gleichgewicht zum Kippen bringen, ist sie fast froh, ihn hier neben sich schnaufen zu hören.
     
    »Liebe Mama, mache mir große Sorgen um dich.«
Das hat sie ihrer Mutter vorgestern Morgen geschrieben – und ein inständiges
»Bitte, bitte gib mir Bescheid, wo du bist«
nachgeschoben.
    Und dann hat sie gewartet. Zusammen mit Hans hat sie unzählige Kannen Kaffee gekocht; zu zweit haben sie in der Küche, die einmal die Familienküche war, Handy und Laptop im Blick behalten.
    Am Nachmittag klingelte das Telefon, und Lina stürzte hin. Doch es war nur Marthas Ärztin, die sie beruhigen wollte, um ihr gleichzeitig noch einmal einzuschärfen, sie sollte ihrer Mutter ausrichten, sich mit ihr in Verbindung zu setzen. Es könnten sehr bald Luftnot und Schmerzen auftreten, und es sei wichtig, die richtige Medikation zu verordnen. Martha brauche einen Arzt, der wisse, was getan werden müsse. Die Frau hatte eine kühle und zugleich warme Stimme.
    Ob es denn überhaupt keine Rettung gebe, fragte Lina leise in der Hoffnung, die Antwort möge die hämmernde Angst ein paar Dezibel herunterschrauben. Da war der fast kindliche Wunsch, die Person am anderen Ende der Leitung könnte dieser quälenden Situation in der Küche alle Schwere nehmen, wie eine Fee, die nur ein paar Zaubersprüche aufsagen muss, damit alles wieder gut wird. Doch Lina erhielt nur ein Nein. Ein nacktes Nein. Vier Buchstaben, die bei aller Vorsicht, mit der sie hervorgebracht wurden, keine Gnade kannten.
     
    Die Mail war in der Nacht gekommen.
    Lina und ihr Vater hatten irgendwann den Fernseher eingeschaltet, um das Störfeuer ihrer Gedanken einzudämmen. Sie sahen sich einen »Tatort« an und hielten bis zu einer Kultursendung kurz vor Mitternacht durch.
    Ob er einen Schnaps wolle, fragte Lina Hans gegen elf Uhr. Er nickte, und sie schenkte beiden ein Glas Marillenbrand ein, randvoll. Der Alkohol brannte in der Kehle. Er ummantelte ihre gespannten Nerven ein wenig, legte Betäubung in jede Faser, brachte zum Innehalten, was da so unbarmherzig pochte.
    Ein kurzes Klingeln im Laptop signalisierte, dass eine Mail eingegangen war. Lina sah die Adresse ihrer Mutter und merkte, dass ihre Hand zitterte, als sie die Nachricht öffnete.
    »Martha?« Hans sah von seinem Sessel hoch, die Müdigkeit einer durchwachten Nacht im Blick.
    Lina nickte.
    »Und? Was schreibt sie?«
    »Sie ist in Italien.«
    »Wo?«
    »Das sagt sie nicht. Nur, dass sie länger bleiben will.«
    »Verdammt noch mal.« Er trank das Glas Marillenbrand in einem Zug leer und sah sich im selben Moment suchend nach der Flasche um.
    Lina atmete geräuschvoll aus und goss ihm nach. »Ich solle mir keine Sorgen machen, schreibt sie.«
    »Deine Mutter hatte schon immer diesen Hang zum …«
    »Zu was?«, unterbrach sie ihn scharf.
    »… zum Märtyrertum.«
    Ihr Blick machte kurzen Prozess mit seiner Erklärung, zerhäckselte seine Worte geradezu.
    Er kippte den Schnaps in einem Zug hinunter. »Ach, vergiss es.«
    »Mama ist krank.« Sie spürte, wie Tränen hochkamen. Sie blinzelte entschieden dagegen an.
    »Ich weiß.« Seine Stimme klang nüchtern. Sie klang nicht nach den drei Gläsern Schnaps, die er inzwischen intus hatte.
    Lina fuhr mit der Maus die Mail ihrer Mutter ab, als hätte sich dort zwischen den Buchstaben noch irgendetwas versteckt, das sie übersehen hatte, etwas, das mehr offenbarte als diese knappe Mitteilung. Aber es blieb bei den vier Sätzen.
    »Wie’s ihr wohl geht?«, fragte sie leise mehr sich selbst als ihren Vater.
    Er zuckte mit den Schultern und sah sich nach der Fernbedienung um. Es wurden gerade die Spätnachrichten angekündigt. Die Moderatorin, die kurz darauf das Bild einnahm, wirkte wach und aufgeräumt. Sie konnte noch Luft holen für die erste Meldung, da schnitt ihr Hans bereits mit der Off-Taste das ungesagte Wort ab.
    »Du schreibst deiner Mutter jetzt sofort zurück und fragst sie nach ihrem genauen Aufenthaltsort. Wir brauchen eine Adresse und eine Telefonnummer, unter der wir sie erreichen können. Sie kann nicht erwarten, dass wir herumsitzen und auf irgendwelche Mails warten.« In seinem Ton

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