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Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Titel: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Extence
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dass wir lieber nach Zürich fahren anstatt fliegen wollten, aber es muss zu einem relativ frühen Zeitpunkt gewesen sein. Mr. Peterson befürchtete keinen Triebwerksschaden oder irgendeinen islamistischen Anschlag; er hatte bloß eine generelle Abneigung gegen das Fliegen. Er behauptete, es liege daran, dass man in einem so engen Raum eingeschlossen sei, mit einer so großen Anzahl anderer Menschen und keiner Möglichkeit zu entkommen. Die Vorstellung, auf diese Weise seine letzte Reise anzutreten, gefiel ihm nicht besonders, zumal wir nicht wussten, wie es zu diesem Zeitpunkt um seine Mobilität und seinen Gleichgewichtssinn bestellt sein würde. Wir waren uns einig, dass es besser war, mit dem Auto zu fahren. Wir konnten uns Zeit lassen und Rast machen, wann immer wir wollten, und uns in aller Ruhe die Landschaft anschauen und dabei Schubert und Chopin hören. Mr. Petersons einzige Sorge bezüglich unseres Plans bestand darin, dass die Autofahrt etwa vierundzwanzig Stunden lang dauern würde, wovon ich die Hälfte ohne Beifahrer würde bestreiten müssen. Wie sollte ich das hinkriegen? Die Wahrheit ist, ich hatte keine Ahnung. Aber mein Bauchgefühl sagte mir, dass wir die Sache auf die richtige Art und Weise angingen. Ich war noch nie zuvor geflogen, und ich konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, ob es für mich weniger stressig gewesen wäre als das Fahren. Aber beim Autofahren wusste ich wenigstens, woran ich war.
    Ich durfte erst mit siebzehn den Führerschein machen, aber ich konnte mich vorbereiten. Wegen seines nachlassenden Sehvermögens war Mr. Peterson nicht mehr in der Lage, mir Hinweise oder Tipps zu geben, wenn wir mit dem Wagen unterwegs waren, aber ich konnte immer noch die bekannten Strecken fahren, wie etwa zum Dorfladen, oder in seiner Einfahrt das Einparken üben. Ich las auch die Straßenverkehrsordnung von der ersten bis zur letzten Seite, und von einem theoretischen Blickwinkel aus betrachtet, wusste ich, was ich tat. Und dann waren da natürlich noch meine anderen mentalen Vorkehrungen.
    Ich habe ja schon erwähnt, dass man als Epileptiker nur dann Autofahren darf, wenn man mindestens ein Jahr lang völlig anfallsfrei war. Da ich mir sicher war, dass ich Dr. Enderby in dieser Beziehung nicht anlügen konnte, war es unerlässlich, dass mein Boot bis zu meinem siebzehnten Geburtstag in ruhigem Gewässer fuhr. Das bedeutete: Trotz der zusätzlichen Arbeit, die mich täglich erwartete, konnte ich es mir nicht leisten, von meiner bewährten Routine und meinem Schlafrhythmus abzuweichen. Ich musste auf jeden Fall spätestens um halb elf im Bett liegen und vor sieben Uhr aufstehen, damit ich meine frühmorgendlichen Meditationen und die beruhigenden Übungen durchführen konnte.
    Aber es funktionierte. Dank der strengen Strukturen, die ich mir auferlegte, blieb ich etwa zwanzig Monate am Stück anfallsfrei. Dr. Enderby war so entzückt über meine Fortschritte, dass er mir während meines halbjährlichen Kontrolltermins kurz vor meinem siebzehnten Geburtstag eröffnete, dass er unter normalen Umständen eine graduelle Reduzierung des Carmazepin-Präparats vorschlagen würde, mit dem Ziel, es nach einem halben bis ganzen Jahr völlig abzusetzen. Aber natürlich verstand er, dass dies keine normalen Umstände waren. Falls ich noch nicht dazu bereit sei – was der Wahrheit entsprach –, dann gebe es keinen Grund, meine Dosis in irgendeiner Form zu verändern.
    Am Tag meines siebzehnten Geburtstags bestand ich die theoretische Fahrprüfung, und eine Woche später – nach einigen Abenden intensiven Trainings – bestand ich auch den praktischen Teil. Mir unterlief nur ein kleiner Fehler, weil ich zögerte, als ich ein Pferd überholte. Der Fahrprüfer meinte, ich sei ein Naturtalent.
    Wie Sie sich sicher vorstellen können, gab es noch einen Haufen anderer Dinge, die meine Tage bis zum Bersten anfüllten. Es waren meistens Sachen, die ich für Mr. Peterson erledigte: Ich fuhr zur Post. An den Tagen, an denen Krystyn nicht kam, übernahm ich das Aufräumen. Ich ließ mir Briefe im Auftrag von Amnesty International diktieren. Ich las vor, mindestens eine oder auch zwei Stunden am Tag, meistens Bücher, die Mr. Peterson schon kannte, die er aus Zeitmangel aber bisher kein zweites Mal gelesen hatte. Er meinte, dass er immer weniger bereit sei, sich auf etwas Neues einzulassen. Er wählte die Bücher aus, die ich ihm vorlesen sollte. Nach Catch-22 kam Einer flog über das Kuckucksnest und danach Owen Meany

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