Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)
. Rückblickend betrachtet, fühlte er sich offensichtlich zunehmend zu dieser Art von Tragikomödie hingezogen. Nachdem ich meine ursprüngliche Verlegenheit überwunden hatte, merkte ich, dass ich beim Vorlesen dieser Bücher ganz tief abtauchen konnte. Ich konnte mich selbst verlieren, ähnlich wie bei der Versorgung der Cannabis-Fabrik. Ich vermute, dies ist keine der Aufgaben, die sich in einem Satz erklären lassen. Ich werde etwas weiter ausholen müssen.
Zuerst müssen Sie wissen, dass sich meine Einstellung zu Mr. Petersons Gras nach seinem Krankenhausaufenthalt grundlegend veränderte. Nur, damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich halte nichts von irgendwelchen Substanzen, die sich in die natürliche Chemie des Gehirns einmischen. Die Vorstellung, irgendetwas zu essen, zu rauchen, zu schnüffeln oder in eine Vene zu spritzen, dessen Wirkung nicht grundlegend und sorgfältig in Dreifachblindstudien getestet wurde, ist mir von Grund auf fremd. Ich kann nicht verstehen, warum irgendjemand diesen Wunsch verspüren sollte. Aber man tut es – das ist der Punkt. Manche Leute mögen gefährliche Sportarten wie Boxen und Base-Jumping und Big-Wave-Surfen. Diese Dinge sind mir ebenfalls fremd. Aber ich denke nicht, dass ich irgendjemandem von diesen Aktivitäten abraten würde (abgesehen vielleicht vom Boxen).
Denn etwa zur selben Zeit, als mir bewusst wurde, dass Mr. Peterson das Recht hatte, sich selbst zu töten, erkannte ich, dass man den Leuten in den meisten Fällen nicht vorschreiben sollte, was sie mit ihren Gehirnen und Körpern tun oder lassen. Es kam mir jetzt ganz in Ordnung vor, dass Mr. Peterson in seinen eigenen vier Wänden gerne hin und wieder einen Joint rauchte. Er schadete damit ja niemandem sonst, und für sein Wohlbefinden war es – so behauptete er – viel besser als alles andere, was ihm ein Arzt je verschrieben hatte. Es ist unmöglich, den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung objektiv zu überprüfen, aber genau das war der springende Punkt: Es war seine Entscheidung. Wenn Mr. Peterson der Meinung war, dass das Rauchen von getrockneten Cannabispflanzen ihm mehr Lebensqualität verschaffte, stand es mir nicht zu, ihn daran zu hindern. Mehr noch: Bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt kristallisierte sich heraus, dass mir nichts anderes übrig blieb, als ihn aktiv darin zu unterstützen.
Kurz nachdem er aus der Psy entlassen worden war, wurde klar, dass er die steile, enge Treppe zum Dachboden nicht mehr erklimmen konnte. Es war Ende November, und seit Ende August war er nicht mehr dort oben gewesen. Damals hatte er die Pflanzen abgeerntet – zum letzten Mal, wie er gedacht hatte. Er hatte keine neuen Pflanzen eingesetzt. Im Glauben, dass seine botanische Laufbahn beendet sei, hatte er die Hochdrucklampen ausgeschaltet und die großen Anzuchtkübel ordentlich in eine Ecke gestapelt, hatte den Boden gefegt und den Laden dichtgemacht. Und jetzt, nachdem er beschlossen hatte, noch ein bisschen länger zu leben, hatte er ein Problem.
Auf den Dachboden konnte er nicht mehr, aber die Pflanzen irgendwo anders unterzubringen, war gleichermaßen undenkbar. Was Mr. Peterson auf dem Dachboden aufgebaut hatte, war äußerst professionell. In den dreißig Jahren als Cannabispflanzer hatte er eine Menge an schwerem Gerät und Hightechausrüstung angeschafft. Die tausend Watt starken Hochdrucklampen saßen in gebogenen Streben über den Pflanzen, so ähnlich wie die Lampen über Billardtischen. Man konnte sie mittels eines Seilzugs hochziehen und wieder absenken, je nach Höhe der Pflanzen. Er hatte einen Luftentfeuchter installiert und einen großen Ventilator für die Luftzirkulation und das Trocknen der Blätter. Der Raum konnte »lichtdicht« gemacht und die Temperatur präzise eingestellt werden; beides war wichtig, damit die Pflanzen optimal wuchsen. Und selbst wenn es möglich gewesen wäre, die ganze Konstruktion irgendwo hinzuschaffen, wo man leichter herankam, bestand nicht der geringste Zweifel daran, dass Mr. Peterson selbst so einfache Tätigkeiten wie Gießen und Umtopfen nicht mehr bewerkstelligen konnte. Jemand musste das Ruder übernehmen – und dieser Jemand war ich. Obwohl Mr. Peterson mit Krystyn gut zurechtkam, waren wir uns einig, dass wir eine Grenze überschreiten würden, wenn wir sie baten, hin und wieder auf den Dachboden zu gehen und die Cannabispflanzen zu wässern. Und wie Sie vielleicht schon vermuten, ist es gar nicht so einfach, guten Cannabis zu züchten. Es ist
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