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Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Titel: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Extence
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Schäfer nickte gemessen. »Man könnte behaupten, dass man beim Autofahren und bei der Fortpflanzung größere Verantwortung übernehmen muss als beim Wählen und beim Alkoholtrinken. Aber lassen wir das.« Er schwieg und betrachtete mich. »Ich konnte dein Alter nur schwer schätzen«, sagte er dann. »In vielerlei Hinsicht kommst du mir älter als siebzehn vor, in anderer wieder viel jünger. Ich hoffe, du bist nicht böse, wenn ich das sage.«
    »Nein, gar nicht. Ich habe das schon öfter gehört. Ich weiß nur nicht, wie ich mich anders geben soll.«
    »Das sollst du gar nicht«, wiegelte Herr Schäfer ab. »Du sollst genau so sein, wie du bist. Im Deutschen gibt es einen Begriff, der Menschen wie dich beschreibt: arglos . Aber wie man das auf Englisch ausdrücken soll, weiß ich nicht. ›Innocent‹ kommt dem nahe, trifft es aber nicht hundertprozentig. Arglos beschreibt eher einen Menschen, der ohne Falsch ist. Das heißt, dass du der bist, der du zu sein scheinst. Du denkst nicht daran, dich zu verstellen.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Natürlich denke ich daran, mich zu verstellen. Aber ich bin so entsetzlich mies darin, dass ich es erst gar nicht versuche.«
    Herr Schäfer nickte. »Das ist nur eine andere Art auszudrücken, dass es nicht in deiner Natur liegt.«
    Ich dachte nach. »Das mag sein«, sagte ich dann, »stimmt aber nicht immer. Ich bin Mr. Peterson gegenüber im Moment nicht ganz ehrlich. Wollen Sie darauf hinaus?«
    »Nein. Wir wissen beide, dass dies etwas ganz anderes ist. Hast du ihn angelogen?«
    »Nein. Ich habe ihm nur einiges nicht gesagt.«
    »Und zwar weil du ihn schützen willst. Damit habe ich doch recht, oder?«
    »Ja«, gestand ich. »Ich glaube, wenn er wüsste, was zu Hause passiert, könnte ihn das zu einer Entscheidung treiben, die nicht gut wäre. Und er täte es, um mich zu beschützen, was aber nichts nützen würde. Es würde niemandem etwas nützen.«
    Herr Schäfer nickte erneut. »Aber ich nehme an, dir sind die Konsequenzen deines Handelns bewusst? Du wirst möglicherweise unter Anklage gestellt, wenn du nach Hause kommst. Dann gilt wieder das britische Recht, nicht länger das der Schweiz.«
    »Ja, ich weiß. Die Konsequenzen machen mir keine Sorgen. Ich will nur Mr. Peterson nicht damit belasten. Er sollte sich mit so was nicht herumschlagen müssen. Nicht jetzt.«
    »Okay«, sagte Herr Schäfer, »dann möchte ich die Frage anders formulieren. Du weißt, dass du mit Konsequenzen rechnen musst, willst aber trotzdem hierbleiben. Ist das korrekt? Du spielst nicht mit dem Gedanken, jetzt zurückzufahren?«
    »Nein. Ich will hierbleiben.«
    »Weil du dich dazu verpflichtet fühlst?«
    »Nein, weil ich das, was ich tue, für richtig halte.«
    Ich trocknete den letzten Teller ab, und Herr Schäfer deutete zum Küchentisch. Wir setzten uns hin.
    »Also, Alex«, sagte er, »wenn du alt genug bist, um hier sein zu wollen, dann bist du auch alt genug, um hier sein zu dürfen. Das ist jedenfalls meine Meinung. Die meisten Menschen würden mich wohl als liberal bezeichnen. Verstehst du, was das bedeutet?«
    Ich dachte über das Wort nach. »Ich glaube, es hat etwas mit freier Marktwirtschaft zu tun«, sagte ich. »Stimmt das?«
    Herr Schäfer lächelte. »Nicht in meinem Fall, nein. Es bedeutet, dass ich der Meinung bin, jedem Menschen sollte gestattet sein, seine eigenen Entscheidungen zu treffen – ohne dass ihm andere Leute vorschreiben, was er zu tun oder zu lassen hat. Die einzige Einschränkung dabei ist, dass man niemandem schaden und niemanden ausbeuten darf – und das ist etwas ganz anderes als freie Marktwirtschaft.«
    Herr Schäfer schenkte sich ein Glas Wein ein, ehe er fortfuhr. »Damit will ich sagen, dass du die Freiheit haben solltest, deine eigene Entscheidung zu treffen, genauso wie dein Freund Isaac die Freiheit haben muss, seine zu treffen. Niemand sollte sich einmischen.«
    Ich ließ seine Worte in mich einsinken. »Heißt das, dass Sie uns nicht nach Hause schicken?«
    »Wenn ich es täte, würde ich gegen alles verstoßen, wofür ich in den letzten zwölf Jahren gekämpft habe. Wenn ich Menschen in diesem späten Stadium nach Hause schicke, dann nur, wenn ich oder Dr. Reinhardt zu der Überzeugung gelangen, dass sie nicht aus freien Stücken gekommen sind oder nicht begreifen, welche Entscheidung sie getroffen haben. Aber in diesem Fall haben wir keine Zweifel.«
    »Was ist mit den Nachrichten? Sie werden Mr. Peterson doch nichts davon erzählen,

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