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Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Titel: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Extence
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völlig legal. Das ist ja der Punkt.«
    »Du bist siebzehn. Das ist der Punkt, auf dem die Polizei herumreitet. Sie behaupten, dies sei ein Sonderfall, und die Schweizer Behörden sollten einschreiten.«
    »Die Schweizer sind nicht gerade berühmt fürs Einschreiten«, erklärte ich.
    »Ach, hör auf, so verdammt cool zu tun! Du solltest dich an den Gedanken gewöhnen, dass du eventuell gesucht wirst.«
    »Das ist mir klar. Aber ich muss nur noch vierundzwanzig Stunden durchhalten. Danach …«
    »Stopp!«, unterbrach mich Ellie. »Ich will’s nicht wissen. Ich will es wirklich nicht wissen. Alles, worum ich dich bitte, ist: Sei vorsichtig.«
    Ich sagte kein Wort.
    Ellie schickte noch einen letzten Fluch durch die Leitung, dann legte sie auf.
    Ich schaltete BBC News im Fernsehen ein. Es dauerte keine zehn Minuten, da erschien mein Foto auf dem Bildschirm. Es war wirklich kein gutes Foto. Ich schaltete den Fernseher wieder aus und setzte mich aufs Bett. Fünf Minuten lang konzentrierte ich mich auf meine Atmung.
    Ich sagte mir, dass ich an dieser neuen Entwicklung wohl kaum etwas ändern könne. Meines Wissens hatte Mr. Peterson seit unserer Ankunft in der Schweiz keinen einzigen Blick auf den Fernseher geworfen. Er hatte keine Ahnung, was zu Hause vor sich ging, und ich wollte, dass es so blieb. Der Unsicherheitsfaktor in dieser Berechnung war Herr Schäfer. Ich wusste nicht, ob es irgendwelche »Protokolle« gab, die eine derartige Situation regelten. Ich vermutete aber, dass dies wohl eher nicht der Fall war.
    Wir brauchten etwa fünfzehn Minuten bis zu der Adresse am anderen Ende von Kreis 12, einem ruhigen Außenbezirk im Osten der Innenstadt. Herrn Schäfers Haus war bescheiden und funktionell – eins von diesen quadratischen, schmucklosen Häusern mit den flachen Dächern, die von den Schweizern offensichtlich sehr geschätzt wurden. Eine Sicherheitsbeleuchtung erhellte ein kleines Rasenstück, das so akkurat gemäht war, dass man es für Kunstrasen halten konnte, und auch im Inneren des Hauses war alles ordentlich und einfach gehalten.
    Ich beobachtete ihn insgeheim mit unermüdlicher Wachsamkeit, aber Herr Schäfer ließ mit keinem Muskelzucken erkennen, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Er gab sich so wie immer – eine merkwürdige Mischung aus Ernsthaftigkeit und Lässigkeit, die seine Äußerungen manchmal wie die eines Komikers wirken ließ, der Witze erzählt, ohne die Miene zu verziehen. Es war nicht so, dass er die nötige Würde für einen Mann in seiner Position vermissen ließ. Vielmehr sickerte sein gemessenes Betragen ab und zu auch in andere Bereiche durch. Er sprach über den Tod mit der gleichen Feierlichkeit wie über die Harmonie zwischen Fleisch, Pilzen und Wein in seinem Bœuf Bourguignon. Und über beide Themen redete er ausgiebig.
    Es stellte sich heraus, dass Herr Schäfer nicht schon immer im Sterbegeschäft tätig war. Er hatte über zwanzig Jahre lang als Menschenrechtsanwalt gearbeitet, und es war sein leidenschaftlicher Glaube an das »letzte Menschenrecht« – wie er das Recht zu sterben nannte –, der schließlich dazu führte, dass er die Juristerei aufgab und eine private Klinik eröffnete, die mit ihrer Bereitschaft, sowohl Ausländer als auch Schweizer aufzunehmen, nahezu einzigartig war. Denn die Menschenrechte, so meinte Herr Schäfer, machten nicht an Landesgrenzen halt.
    Ich muss wohl nicht betonen, dass es kein wirklich »normales« Abendessen war, aber nach ein paar Minuten entspannte ich mich überraschenderweise. Herr Schäfer schien sich in seiner Rolle als Gastgeber sehr wohl zu fühlen, und ein Dreiergespräch mit Mr. Peterson stellte sich als einfacher heraus als eine Konversation nur zwischen ihm und mir. Es war einerseits komplizierter als eine Plauderei zwischen drei sprechenden Menschen, weil Mr. Peterson erst mir seine Zettel zum Lesen gab und ich sie dann an Herrn Schäfer weiterreichte, aber dadurch hatte er auch mehr Zeit zum Schreiben und zum Ausruhen zwischendurch. Und Herr Schäfer, der dieses Prozedere schon gestern erlebt hatte, schien gut damit zurechtzukommen. Er benahm sich so, als sei diese Art des Kommunizierens kein bisschen bemerkenswert. Er bewies auch ein großes Maß an Geduld, wenn ich Deutsch sprach, was ich relativ häufig tat, weil ich in Übung bleiben wollte. Mit ein bisschen Unterstützung ließ ich nach kurzer Zeit die einfachen Phrasen wie » Es schmeckt sehr gut « hinter mir und wandte mich komplexeren Sätzen zu: »

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