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Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Titel: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Extence
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ihrer Meinung nach der natürlichen Ordnung zuwiderlief, aber gleichfalls weigerte sie sich, auch nur ein einziges Katzenbaby zu behalten – egal ob es lang- oder kurzhaarig war, weiblich oder männlich, schwarz, weiß oder gefleckt. Jeder neue Wurf war von unbekannter Vaterschaft geprägt, doch jedes Mal führte das Erbgut zu herrlichen und manchmal skurrilen Variationen des Lebens. Diese Variationen waren der Schlüssel zu der Frage, wie lange es dauerte, bis meine Mutter den Zettel mit ihrer Beschreibung und dem Spruch »Nur in gute Hände abzugeben« von ihrer Schaufensterscheibe nehmen konnte. Im Allgemeinen gingen die Langhaarigen schneller weg als die Kurzhaarigen, weil sie »Rasse« zu haben schienen, obwohl in meinen Augen die mit dem kurzen, rauen Fell die freundlicheren und lustigeren Katzen waren. Diejenigen, die das lange weiße Fell ihrer Mutter erbten, bekamen auch ihre Reserviertheit mit in die Wiege gelegt; man könnte annehmen, dass zwischen diesen beiden Attributen irgendeine Verbindung bestand. Aber das ist reine Spekulation. In Katzen-Genetik kenne ich mich nicht aus.
    Um es auf den Punkt zu bringen: Aus welchem Grund auch immer, betrachtete meine Mutter Lucy nicht als geeigneten Babysitter für mich. Nach dem Koma und allem anderen schien sie mich keine zehn Minuten mehr aus den Augen lassen zu wollen, was ich weder für fair noch für vernünftig hielt. Später, nachdem mir Dr. Weir ein dickes Buch über Meteoroiden, Meteore und Meteoriten geschickt hatte, konnte ich meiner Mutter erklären, dass die Chance, von einem weiteren Meteoriten getroffen zu werden – also von zwei Meteoriten innerhalb einer Lebensspanne –, etwa bei eins zu vier Quintillionen liegt. (Das ist eine Vier mit achtzehn Nullen dahinter.) Und dieses Verhältnis würde sich nicht ändern, ob sie nun auf mich aufpasste oder nicht. Wenn es ihr tatsächlich ernst damit war, mich vor einem weiteren solchen Ereignis zu bewahren, dann musste sie mich in einer Eisenkiste im Keller einschließen. Ich übte diese Rede mindestens zehnmal, bevor ich sie zum Besten gab, und ich darf Ihnen versichern, dass ich eine ziemlich gute Vorstellung ablieferte. Aber für meine Mutter machte es keinen Unterschied. Die achtzehn Nullen waren ihr völlig egal; ich musste trotzdem jeden Tag mit ihr zur Arbeit gehen. Entweder das, oder ich verbrachte den Tag bei den Stapletons, was – unter uns gesagt – keine besonders erfreuliche Alternative war. Also trieb ich mich den Großteil des Sommers im Laden meiner Mutter herum.
    Manchmal durfte ich kleine Arbeiten erledigen, wie Bücherregale einräumen oder das Wechselgeld herausgeben, und wenn meine Mutter einem Kunden die Karten legte, trug ich die Verantwortung für die Beleuchtung und die Überwachung der Kerzen. Aber die restliche Zeit musste ich still sein und lesen – entweder hinter dem Tresen oder, wenn ich Glück hatte, oben in der Wohnung von Justine und Sam. Justine arbeitete ebenfalls im Laden. Was Sam machte, wusste ich nicht genau. Sie war ein paar Jahre jünger als Justine und schien die meiste Zeit zu Hause zu sein. Sam war die Abkürzung für Samantha. Sam und Justine waren Lesbierinnen. Dies bedeutete, wie mir meine Mutter erklärte, als ich sechs Jahre alt war, dass sie lieber miteinander zusammen waren als mit Männern. (Glücklicherweise galt ich in diesem Alter noch nicht als Mann, weswegen sie mich tolerierten.) Als ich meine Mutter fragte, ob sie auch eine Lesbierin sei – weil sie ebenfalls lieber mit Justine und Sam zusammen war als mit Männern –, bekam sie einen Lachkrampf. Als sie sich nicht länger vor Lachen auf dem Boden wälzte, erklärte sie mir, dass ihr im Augenblick nicht mehr viel an der Gesellschaft von Männern oder Frauen lag, weil sie im Zölibat lebe. Aber das war wieder so eine Sache, die sie nicht näher erklären wollte, und als ich versuchte, das Wort im Lexikon nachzuschlagen, konnte ich es nicht finden. Ich hatte damals noch Probleme mit der Rechtschreibung und dachte, »Zölibat« würde mit »Ts« anfangen.
    Aber keine Sorge: Mit zehn Jahren hatte ich längst herausgefunden, was meine Mutter damit meinte. Sie meinte, dass in unserer Familie die Katze die Einzige mit einem aktiven Sexleben war.
    Der Laden meiner Mutter befand sich in einer kleinen Seitenstraße in der Nähe der Glastonbury High Street. Er hieß »Königin der Kelche«. Vielleicht haben Sie den James-Bond-Film Leben und sterben lassen gesehen und wissen daher, dass die Königin der

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