Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Titel: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Extence
Vom Netzwerk:
Waschbecken ersetzt. Die Arbeits- und Materialkosten mussten erheblich gewesen sein. Und weil wir eine gute Versicherung hatten, war es lächerlich, dass der Handwerker die Sache aus eigener Tasche bezahlen sollte.
    Durch diesen Umstand ließ er sich schließlich erweichen. Er schickte meiner Mutter eine Rechnung, die meine Mutter wiederum der Versicherung schickte, und zwei Tage später schickte die Versicherung uns einen sehr langen, sehr wortreichen Brief, in dem stand, dass sie bedauerlicherweise nicht in der Lage und nicht willens sei, die Rechnung zu begleichen. In einem Anfall von Kurzsichtigkeit hatte meine Mutter unser Haus zwar gegen Feuer, Überflutung, Bodenabsenkungen, Erdbeben, Vandalismus, Terrorismus und jede Form von extremem Wetter versichert – einschließlich Schneestürmen, Tornados und Hurrikans –, aber nicht gegen Meteoriten, die in die Kategorie »höhere Gewalt« fielen. Die Versicherung sprach von einem »Akt Gottes« und war der Meinung, dass sie angesichts ihres internationalen Renommees und aus Rücksicht auf die Anteilseigner und die Prämien geradezu die moralische Pflicht hätte, die Ansprüche meiner Mutter abzulehnen – noch dazu, da ja der Handwerker bereit gewesen war, umsonst zu arbeiten. Dieses Detail hatte den Weg in die Lokalzeitungen gefunden und war der Versicherung natürlich nicht entgangen.
    »Ein Akt Gottes ?« Meine Mutter schäumte und knüllte den Brief zu einem Ball von der Dichte eines Neutronensterns zusammen.
    »Dr. Weir meint, es sei vermutlich Jupiters Schuld«, sagte ich zu ihr.
    Meine Mutter schaute mich eine ganze Weile an. Ihr Gesicht war irgendwie schief verzogen. Dann sagte sie etwas, das ich nicht verstand: »Ich glaube, Lex, dass eher der Mars Schuld hat.«
    Meine Mutter sagte oft Dinge, die ich nicht verstand, und normalerweise war es sinnlos, um eine Erklärung zu bitten, weil die wiederum einer Erklärung bedurft hätte. Manchmal begriff man, was sie meinte, und manchmal eben nicht. In diesem Fall fand ich heraus, wovon sie sprach – es hatte etwas mit Tarot zu tun und mit dem Turm und einer wahrhaft bizarren Prophezeiung, aber Sie müssen sich noch etwas gedulden, bis ich Ihnen davon erzähle. Zunächst haben wir es noch mit der Badezimmerdecken-Story zu tun.
    Meine Mutter gerät normalerweise nicht so leicht in Rage – sie ist eher der Typ, der in einer Art Blase durch die Welt schwebt (so ähnlich wie die Zelte, in denen sie Kinder ohne Immunsystem aufbewahren) –, aber als sie den Brief der Versicherung bekam, loderte ihr gerechter Zorn auf. Sie sah sich drei gleichermaßen unangenehmen Alternativen gegenüber: 1. Sie musste dem Bauhandwerker sagen, dass er nun doch kein Geld bekommen würde. (Diese Alternative fiel von vornherein flach, denn meine Mutter hatte noch nie in ihrem Leben ein Versprechen gebrochen.) 2. Sie musste eine zweite Hypothek aufnehmen. 3. Sie musste mich verkaufen beziehungsweise ein Exklusivinterview über meine Geschichte an den Höchstbietenden verscherbeln. Und wie ich schon sagte, war diese dritte Möglichkeit einige Stunden lang für meine Mutter das kleinste von drei Übeln. Seit mindestens einem Monat hinterließen Reporter von Printmedien und Fernsehanstalten Nachrichten auf unserem Anrufbeantworter. Wir beide wussten, dass sie nur ein Wort zu sagen brauchte, und die Macher von Richard & Judy würden ohne zu zögern unser Dach mit meteoritensicheren Dachpfannen bestücken. Aber meiner Mutter ging es nicht in erster Linie ums Geld. Ihrer Meinung nach hatte die Versicherung vielleicht nach den buchstabengetreuen vertraglichen Vereinbarungen gehandelt, dabei aber den Geist dieses Vertrages gebrochen, und das war für meine Mutter eine ernste Sache. Sie würde nicht ruhen, ehe die Versicherung ihre Verfehlung einsah.
    Den Rest des Abends und die frühen Morgenstunden des folgenden Tages verbrachte sie tief in Gedanken versunken. Beim Frühstück dann erkannte ich an ihrer entschlossenen Haltung, dass sie eine Lösung gefunden hatte. Wie sich herausstellte, bestand diese Lösung im Grunde genommen aus einer Art Erpressung, aber ich glaube nicht, dass meine Mutter es so sah. Aus Gründen, die ich schon genannt habe, wollte sie lediglich für ein moralisches Gleichgewicht sorgen.
    Sie rief die Versicherung um Punkt neun Uhr morgens an und sagte ihnen Folgendes: Wenn sie (die Versicherung) ernsthaft glauben würde, dass sie nicht für die Reparatur unseres Daches zahlen müsse, weil es sich um eine Art göttliche

Weitere Kostenlose Bücher