Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)
erst, nachdem es passiert war. Das war einer der Gründe, warum sie keine Vorkehrungen hatte treffen können. Der andere Grund lag in der Unausweichlichkeit des Ereignisses selbst.
Obwohl ich bei besagter Sitzung, die sich acht Tage vor dem Meteoriteneinschlag in unser Haus ereignet hatte, anwesend gewesen war, konnte ich mich nicht daran erinnern. Diese Sitzung gehört zu den Erinnerungen, die im Krankenhausstaubsauger landeten. Sie müssen also bitte bedenken, dass ich das, was ich Ihnen jetzt erzähle, nur von meiner Mutter weiß. Mit anderen Worten: Es ist mit Vorsicht zu genießen.
Der Name der Kundin war Mrs. Coulson. Sie kam regelmäßig zu meiner Mutter, etwa alle zwei Monate. Gewöhnlich brauchte sie Hilfe bei einem besonderen Problem. Bei Tarot geht es nicht darum, die Zukunft vorauszusagen, die noch in weiter Ferne liegt. Viele Leute haben präzise Fragen, die sie beantwortet haben wollen – zu ihrer Karriere, ihren Beziehungen oder ihren Finanzen. Bei diesem Besuch kam Mrs. Coulson allerdings nicht mit irgendeinem Problem oder mit einer Frage zu meiner Mutter; sie befand sich in einer ungewöhnlich ruhigen Lebensphase und wollte lediglich einen allgemeinen Überblick über die Kräfte, die im Augenblick in ihrem Leben wirkten, und darüber hinaus ein paar Hinweise, was dies für die kommenden Wochen bedeutete. Mrs. Coulson war nicht scharf auf Überraschungen.
Als erfahrene Kartenlegerin war meine Mutter es gewohnt, einen gewissen Prozentsatz an schlechten Nachrichten so schonend wie möglich an den Kunden zu bringen. Aber in Mrs. Coulsons Karten gab es an diesem Tag nur und ausschließlich schlechte Nachrichten. Den Schlag zu mindern, war beileibe keine leichte Angelegenheit. In ihrem Interview mit Psychic News erklärte meine Mutter, dass sie sich an keine Gelegenheit erinnern könne, bei der sie ein schlechteres Blatt gelegt habe. Ein paar Jahre später berechnete ich die Wahrscheinlichkeit eines solchen Blattes, das aus sieben Karten bestand. Die Chancen, dass man – ohne zu mogeln – ein solches Blatt auslegte, standen etwa eine Million Milliarden zu eins. Aufgrund dieser Berechnung darf ich mit Fug und Recht behaupten, dass – falls man meiner Mutter Glauben schenken will – das Blatt, das sie an jenem Tag aufdeckte, das schlimmste war, das jemals auf einem Tarottisch gelegen hatte und vermutlich liegen wird, solange die Menschheit existiert.
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass der Tod die ungünstigste Karte im Tarot ist. Obwohl man verstehen kann, warum diese Auffassung vertreten wird, stimmt es einfach nicht. Die meisten traditionellen Tarotkarten, die ihren Ursprung in mittelalterlicher Bildsprache haben, zeigen den Tod in seiner üblichen Gestalt: als Knochenmann in schwarzer Kutte, der durch eine öde und karge Landschaft zieht und seine Sense schwingt, um die Schädel der Verstorbenen einzustreichen. Aber wenn man genauer hinschaut, sieht man noch etwas anderes auf diesen Bildern: Hinter dem Tod sprießen kleine grüne Stängel aus dem Boden. In den meisten Tarotblättern ist der Tod nicht so furchterregend, wie er aussieht. Der Tod bedeutet lediglich Veränderung, oft sogar ein Loslassen oder einen Neuanfang: Das Ende einer Sache ist immer auch der Anfang einer anderen.
Im Gegensatz dazu haben die wirklich schlimmen Tarotkarten relativ harmlose Namen – wie zum Beispiel der Turm, der stets Unheil bedeutet. Das Bild zeigt einen riesigen Turm, der von einem Blitz aus einem strahlend blauen Himmel getroffen wird. Auf einigen Abbildungen sind noch zwei Gestalten zu sehen, die kopfüber aus dem Fenster stürzen. Natürlich zog Mrs. Coulson den Turm, gefolgt von dem auf dem Kopf stehenden Wagen, was auf einen plötzlichen und entsetzlichen Kontrollverlust hinwies, und dem Mond, das Omen für Angst, Täuschung und böse astrologische Einflüsse.
»Sie sind unter dem Sternzeichen Waage geboren, nicht wahr?«, fragte meine Mutter Mrs. Coulson, wobei ihre Stimme nichts von ihrem Erschrecken preisgab.
Mrs. Coulson bestätigte dies.
»Hmm«, sagte meine Mutter. »Das ist … interessant.«
»Tatsächlich?« Mrs. Coulson rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her.
»Im Augenblick steht Mars in der Waage«, erklärte meine Mutter. »Mars wird auch oft mit dem Turm in Verbindung gebracht, genauso wie der Wagen unter dem Zeichen der Waage steht. Ich fürchte, das ist kein Zufall. Möglicherweise steht Ihnen ein anstrengender Monat bevor, aber die Dinge sollten sich um den
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