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Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)

Titel: Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Extence
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in London. Dort liegt er in einem Glaskasten im ersten Stock – etwa hundert Meter von den Dinosauriern entfernt.

3 Die Königin der Kelche
    Als sämtliche Ärzte sich einig waren, dass es meinem Gehirn gut ging und mein Schädel unter der selbstauflösenden Knochenplatte ordentlich heilte, wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen und geriet sofort in die Fänge der Medien. Der erste Reporter wartete keine zwei Meter neben dem Haupteingang des Krankenhauses, der zweite am Auto meiner Mutter, der dritte an unserer Gartenpforte, ebenso wie der vierte am folgenden Morgen, der fünfte stand vor dem Laden meiner Mutter, als sie morgens öffnete, und der sechste, als sie abends abschloss, und so ging es die nächsten zwei Tage weiter. Überraschenderweise hatte mein dreizehntägiges Koma den Verkauf von Zeitungen angekurbelt, obwohl zwölf dieser dreizehn Tage völlig ereignislos verlaufen waren. Ein ganzes Universum aus Spekulationen war aus ein paar winzigen, wenig aussichtsreichen Teilchen erschaffen worden. Aus glaubwürdigen, aber namentlich nie genannten Quellen im Krankenhaus erfuhr man, dass mein Zustand zuerst kritisch war, dann lebensbedrohlich, dann kritisch und stabil, dann nur stabil, dann unsicher, dann (etwa zwölf Stunden lang) hoffnungsvoll, dann wieder unsicher, und dann stetig düsterer mit jedem Tag, der verging, bis sich alle einig waren, dass die Chancen für mein Erwachen nahezu null waren. In diesem Moment schlug ich die Augen auf und entkam der Sackgasse, in die mich die Zeitungsschreiber verbannt hatten.
    Natürlich wurden Journalisten im Krankenhaus nicht geduldet – es sei denn, sie hatten sich die Knochen gebrochen oder litten an einer schrecklichen Krankheit –, aber das hielt einige »Besucher«, die sich als Freunde der Familie oder als entfernte Verwandte vorstellten, nicht davon ab, auf der Station aufzutauchen. Unsere »Familie« hatte ungefähr drei Freunde und keinen einzigen Verwandten. Meine Mutter gab die Anweisung, dass niemand ohne ihre ausdrückliche Genehmigung durchgelassen werden dürfe, woraufhin die Besuche aufhörten. Die Artikel, die über meinen Genesungsverlauf geschrieben wurden, waren daher genauso spekulativ und ereignisarm wie jene, die die unterschiedlichen Phasen meiner Bewusstlosigkeit dokumentierten. Aber während der Woche, in der ich wach im Krankenhaus lag, hatten die Medienvertreter genügend Zeit, sich die besten Stellen für einen Hinterhalt zu suchen – für den Moment, in dem ich in die Freiheit entlassen wurde.
    Der Weg vom Eingang des Krankenhauses zum Parkplatz dauerte eine halbe Ewigkeit, und als wir endlich im Wagen saßen und darauf warteten, in den Kreisverkehr einfahren zu können, beschloss meine Mutter, dass ich keine Fragen mehr beantworten oder für weitere Fotos stillhalten würde. Sie konnte die Reporter nicht davon abhalten, um unser Auto herumzulungern oder in unserem Müll zu wühlen, aber sie würde mich nicht zur Schau stellen wie ein seltenes Tier, und der einzige Moment, in dem sie kurz davorstand, ihren Entschluss zu widerrufen, war während der letzten Phase der sogenannten »Badezimmerdecken-Story«, von der ich Ihnen vermutlich auch erzählen sollte.
    Als ich nach Hause kam, entdeckte ich zu meinem Schrecken, dass die Badezimmerdecke bereits repariert worden war und nun wieder völlig normal aussah. Und so bekam ich die Zerstörung, die durch den dreihundertzwanzig Kilometer pro Stunde schnellen, 2,3 Kilogramm schweren Metallbrocken an unserem Haus angerichtet worden war, nur durch die Zeitungsausschnitte zu Gesicht. Es stellte sich heraus, dass unser Dach bereits vor Wochen repariert worden war, und zwar von einem Bauhandwerker aus der Gegend, der seine Dienste umsonst angeboten hatte. Er hatte meine Mutter gleich nach dem Unfall zu kontaktieren versucht, aber sie war noch im Krankenhaus und hatte andere Dinge im Kopf als ein undichtes Dach. Glücklicherweise hatten die Stapletons, die sich um unsere Post und um Lucy kümmerten, das Angebot in unserem Namen angenommen. Aber dann wachte ich auf, und meine Mutter konnte wieder denken, und sie war so überwältigt vor Dankbarkeit, dass sie dem Handwerker unverzüglich mitteilte, dass sie nicht im Traum daran dachte, seine Großherzigkeit unbelohnt zu lassen. Immerhin hatte er nur ein kleines Familienunternehmen, und unser Badezimmer war ein Trümmerhaufen gewesen. Es ging ja nicht nur um das einen Quadratmeter große Loch im Dach – der Boden musste neu gefliest werden und das

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