Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)
Strafe handle, die unsere Familie befallen habe – kurz gesagt: ein Risiko, das im Versicherungsvertrag nicht abgedeckt war –, dann würde sie (die Versicherung) doch sicher gern die Presse darüber informieren, um diesen Standpunkt öffentlich zu machen. Falls nicht, wäre sie (meine Mutter) gewillt, das für die Versicherung zu übernehmen.
Am nächsten Tag erhielten wir einen zweiten Brief der Versicherung, in dem diese erklärte, dass sie zwar nicht verpflichtet sei, die Reparatur des Daches zu bezahlen, dies aber nichtsdestotrotz als ein Zeichen ihres guten Willens tun würde. Meine Mutter schrieb zurück, sie habe ihre Zweifel an der Aufrichtigkeit dieses sogenannten guten Willens, würde aber nichtsdestotrotz das Angebot akzeptieren. Allerdings wies sie noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass man doch in Zukunft die Wortwahl in seinen Schreiben überdenken solle. Sie regte sich immer noch über den »Akt Gottes« auf, und es dauerte lange Zeit, bis sie darüber hinwegkam.
Nachdem ich aufgewacht und aus dem Krankenhaus entlassen worden war, nachdem ich den Medien entkommen und die Sache mit dem kaputten Dach zu einem zufriedenstellenden Abschluss gebracht worden war – da begannen die Sommerferien, und meine Mutter wusste nicht recht, was sie mit mir machen sollte. Da sie solange ich denken konnte sechs Tage die Woche in ihrem Laden arbeitete, war dies kein neues Problem. Aber in diesem Sommer sah es meine Mutter als ihre heilige Pflicht an, mich rund um die Uhr zu überwachen. Sie wollte nicht, dass ich allein blieb, was ich verstehen konnte, aber in meinen Augen war die beste Lösung auch die einfachste. Diese Lösung kam mir so offensichtlich vor, dass ich mich fragte, warum meine Mutter nicht selbst darauf gekommen war.
»Ich verstehe nicht, warum ich nicht hier zu Hause bei Lucy bleiben kann«, sagte ich. »Sie ist doch meistens im Haus, also bin ich nicht allein.«
»Lex, das ist ungefähr das Dämlichste, was du heute Morgen von dir gegeben hast«, sagte meine Mutter.
» So dämlich ist das nicht«, knurrte ich.
»Ich finde nicht, dass Lucy eine geeignete Aufpasserin ist.«
»Sie kann mich im Auge behalten, und ich behalte sie im Auge. Du weißt schon, für den Fall, dass sie wieder Lust bekommt, schwanger zu werden.«
Als sie das hörte, wandte mir Lucy den Kopf zu und bedachte mich mit einem vernichtenden Blick. Meine Mutter schnaubte. »Lex, du weißt doch genau, dass wir nicht das Geringste tun können, wenn Lucy sich entschließt, wieder schwanger zu werden.«
»Ja, aber wenn sie ein bisschen Gesellschaft hätte, dann …«
»Lex!«
Und meine Mutter warf mir diesen Blick zu, der mir sagte, dass dieses Gespräch beendet war. Lucy dagegen erhob sich aus ihrem Stuhl und stolzierte mit hocherhobenem Haupt aus dem Zimmer. Ein paar Sekunden später hörte ich die Katzenklappe zuschlagen. Das war typisch für Lucy. Sie benahm sich eigentlich nie wie eine richtige Katze – ich hatte sie noch nie auf einen Baum klettern oder einem Vogel nachjagen sehen –, und seit ich denken kann, betrachte ich sie mehr als eine ältere Schwester. Ich bin mir darüber im Klaren, dass das merkwürdig klingt, aber Sie müssen bedenken, dass meine Familie sehr klein war. Ich hatte weder menschliche Geschwister noch einen Vater, von dem ich Kenntnis gehabt hätte. Ich hatte auch keine Großeltern mehr, keine Tanten und Onkel und daher auch keine Cousinen oder Cousins. Ich hatte meine Mutter, und sie hatte mich, und wir beide hatten die Katze. Und so kam es, dass ich Lucy als gleichwertigen Teil unserer Familie betrachtete. Sie war die Einzige, die in unserem Fall das Konzept »Familie« zahlenmäßig aufwerten konnte. Außerdem war es offensichtlich – wie ich bereits erwähnt habe –, dass Lucy meine Ansicht über die besorgniserregend geringe Zahl der Familienmitglieder teilte. Als ich zehn war, hatte sie bereits viermal Junge bekommen, und jetzt, wo ich diese Geschichte aufschreibe, sind es neun Würfe. Das mag unvorstellbar erscheinen, aber man darf nicht vergessen, dass Katzen während ihres ganzen Lebens fruchtbar bleiben und in der Lage sind, mehrmals im Jahr Nachwuchs zu bekommen. Der Weltrekord an Jungtieren, die von einer einzigen Katzenmutter in Laufe ihres Lebens geboren wurden, liegt bei vierhundertzwanzig.
Unglücklicherweise kämpfte Lucy mit ihrem Versuch, unsere Familie zu vergrößern, gegen Windmühlen. Meine Mutter weigerte sich zwar standhaft, sie sterilisieren zu lassen, weil das
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