Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)
von Emily Dickinson, die sehr kurz waren.
Meiner Meinung nach musste Dr. Enderby sich einfach die Zeit zum Lesen nehmen, was ich ihm bei unserem nächsten Termin auch sagte. Ich sagte ihm ebenfalls, dass er das Lesen genauso betrachten solle wie die Meditation. Regelmäßiges Lesen half einem, ein ruhigerer und klügerer Mensch zu werden. Es war gut für das eigene Boot.
Ich muss wohl nicht betonen, dass er diesem Argument nichts entgegenzusetzen hatte.
»Ein Leseklub?«, fragte Mr. Peterson.
»Ja, genau. Aber nur mit Kurt-Vonnegut-Büchern. Wir lesen sie alle, von Anfang bis Ende. Sonst nichts.«
Ich konnte ihn nicht anschauen, um sein Gesicht zu sehen, aber ich hatte den Eindruck, dass er nicht besonders erfreut blickte. Ich konnte nicht zu ihm hinsehen, weil ich Auto fuhr und meine Augen geradeaus auf die Straße richten musste. Man sollte als Autofahrer immer auf die Straße blicken, es sei denn, man muss in die Rückspiegel schauen, was man schnell und oft tun sollte, besonders, wenn man abbiegt oder in eine Kreuzung einfährt. Ich war noch nicht ganz fünfzehn, und meine Fahrstunden waren auf Mr. Petersons Einfahrt (die gewöhnlich leer war) und seinen Privatweg (der immer leer war) beschränkt, aber es empfahl sich trotzdem, stets wachsam zu sein. Im Grunde genommen sollte ich überhaupt nicht fahren. Ich war nicht nur zweieinhalb Jahre zu jung, ich war auch Epileptiker und würde in meinem augenblicklichen Zustand sowieso keinen Führerschein bekommen. Man darf erst Auto fahren, wenn man ein ganzes Jahr lang keinen Anfall hatte. Meine Anfälle kamen immer seltener, aber sie hatten noch nicht ganz aufgehört.
»Aber du merkst doch, wenn du einen Anfall bekommst«, hatte Mr. Peterson ganz am Anfang unserer Fahrstunden gesagt. »Du hast doch diesen komischen sechsten Sinn, richtig?«
»Ja«, sagte ich. »Ich weiß es im Voraus. Ich habe eine sehr starke Aura, die einen schlimmen Anfall ankündigt.«
»Na also! Und wenn du einen Anfall kriegst, sagst du mir einfach Bescheid und hältst den Wagen an. Du meine Güte, du fährst ja nicht schneller als vielleicht dreißig oder vierzig. Ich glaube nicht, dass wir uns in unmittelbarer Gefahr befinden.«
Mr. Peterson fand, es sei gut, wenn ich so früh wie möglich Autofahren lernte. Es sei nicht nur nützlich, sondern – so dachte er – außerdem gut für mein Selbstbewusstsein. Und wenn ich jetzt darüber nachdenke, hatte er wohl recht. Es überraschte mich, dass ich ein Gespür für das Autofahren hatte; ich war ein Naturtalent, ein vorsichtiger Fahrer, aber kein ängstlicher. Ich hatte nie den Eindruck, dass mir hinter dem Lenkrad ein Anfall drohte. Im Gegenteil, die ruhige Konzentration, die zum Autofahren gehört, tat meinem Geist sehr gut.
Nach einer halben Stunde wusste ich, wie man einen Wagen startet und anhält, wie man einen toten Winkel erkennt und wie man mit den Rückspiegeln umgeht. Kurz danach meisterte ich die Kupplung: Ich konnte anfahren, ohne dass der Wagen ruckte, und vom ersten in den zweiten Gang schalten und vom zweiten in den dritten. (Vom vierten Gang war nie die Rede.) Nach einigen weiteren Unterrichtseinheiten war ich der Meinung, dass ich die Kunst des Einparkens – sowohl vorwärts wie rückwärts – schon recht elegant beherrschte. Mr. Peterson hatte keine Garage, aber wir markierten einen Parkplatz mit Pflanztöpfen. Keiner dieser Töpfe bekam auch nur einen einzigen Kratzer.
Wie auch immer, da ich während unseres Gesprächs über den Leseklub hinter dem Lenkrad saß, konnte ich Mr. Peterson nicht anschauen, um zu überprüfen, ob er die Stirn runzelte, aber in seiner Stimme lag tiefe Skepsis.
»Ein Leseklub, nur mit Büchern von Kurt Vonnegut?«, vergewisserte er sich.
»Ja, genau.«
»Ich weiß nicht, ob du damit die Bude vollkriegst«, sagte Mr. Peterson.
Auf dieses Argument war ich vorbereitet. »Tatsächlich«, sagte ich, »habe ich schon ein paar Leute beisammen, die interessiert sind: Mrs. Griffith, Dr. Enderby – mein Neurologe – und Fiona Fitton, die in der Bücherei in Glastonbury arbeitet. Sie meinte, wir könnten vielleicht sogar mehrere Exemplare der Bücher bestellen, die wir brauchen, falls Leute mitmachen möchten, die sich die Bücher nicht leisten können. Die Gemeinde bezahlt dafür, weil die Gemeinde denkt, Lesen sei gut für die Seele.«
»So so.«
»Ja, und ich übernehme gerne die Organisation. Aber wir brauchen einen Raum, wo wir den Leseklub abhalten können.«
»Aha. Und was schwebt dir
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