Das unerhörte Leben des Alex Woods oder warum das Universum keinen Plan hat: Roman (German Edition)
letzten Ruhe betteten – immerhin hatte ich die ganze Sache organisiert. Ich war noch nie zuvor bei einer Beerdigung gewesen und hatte nicht gerade eine konventionelle religiöse Erziehung genossen, aber ich hatte genug Fernsehsendungen und Filme gesehen, um mir in etwa vorstellen zu können, wie eine Beerdigung ablief. Es gab zwar die gebräuchlichen Worte wie »Asche zu Asche, Staub zu Staub« und so weiter, aber ich dachte, es wäre vielleicht nicht angemessen, wenn ich so etwas von mir gab. Es würde zu pompös klingen, und ich war mir nicht ganz sicher, ob man so ein formelles Begräbnis überhaupt abhalten durfte, wenn man kein Geistlicher war. Und das war ich ja nicht. Am Ende entschied ich mich für eine kurze Lesung. Etwas von Kurts Namensvetter erschien mir am passendsten. Ich holte Mr. Petersons Exemplar der Sirenen aus dem Regal, das meiner Erinnerung nach verschiedene geeignete Textstellen über Hunde und den Tod enthielt.
Die Szene, die mir vorschwebte, stand auf Seite 206, aber sie war viel düsterer, als ich sie in Erinnerung hatte:
»Eine Explosion auf der Sonne hatte Herrn und Hund voneinander getrennt. Ein gnädiger geplantes Universum hätte Herrn und Hund beisammen gelassen.
Das Universum, welches Winston Niles Rumfoord und sein Hund bewohnten, war nicht auf Barmherzigkeit eingestellt. Kazak war vor seinem Herrn ausgesandt worden, um den großen Auftrag im Nirgendwo und Nichts zu erfüllen.
Kazak hatte sich heulend in einer Wolke aus Ozon und ungesundem Licht davongemacht, und das hatte gesummt wie ein Bienenschwarm.
Rumfoord entglitt das leere Würgehalsband. Das Halsband wirkte wie der Tod, verursachte ein unbestimmtes Geräusch und einen kleinen Haufen ohne bestimmte Form, war ein seelenloser Sklave der Schwerkraft, mit gebrochenem Rückgrat auf die Welt gekommen.«
So passend und poetisch das auch war, es war zu trostlos, um es bei einer Beerdigung vorzutragen. Stattdessen nahm ich mir Rumfoords Abschiedsrede vor, die so begann: »Ich sterbe nicht. Ich nehme lediglich meinen Abschied vom Sonnensystem«, und endete mit: »Ich werde immer hier sein. Ich werde immerdar dort sein, wo ich stets gewesen bin.«
Es war acht Uhr, als wir ihn begruben, aber im Garten gab es noch genügend Tageslicht, und so stellte meine Lesung kein Problem dar. Danach half mir Mr. Peterson, das Loch zu füllen. Wir hatten nur zwei Schaufeln, darum konnte Mrs. Griffith nicht mitmachen, aber ich glaube, sie war ganz zufrieden damit, dass sie uns nur zuschauen durfte. Erde in ein Loch zu bekommen ist viel einfacher als heraus. Innerhalb weniger Minuten war das Blumenbeet äußerlich wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt.
Ein bisschen später, während Mr. Peterson eine seiner Zigaretten rauchte, sagte mir Mrs. Griffith, dass sie meine Lesung sehr schön gefunden habe.
»Das war von Kurt Vonnegut«, sagte ich, »der Kurt, nach dem Kurt benannt worden ist.«
»Ach so«, sagte Mrs. Griffith. »Na, jedenfalls hat es mir gefallen.«
Wiederum später, nachdem Mrs. Griffith gegangen und die Sonne hinter der Hecke abgetaucht war und sich der Himmel hellviolett verfärbt hatte, kam Mr. Peterson aus dem Haus und meinte, ich solle jetzt besser nach Hause gehen, ehe sich meine Mutter noch Sorgen mache.
»Okay«, sagte ich. »Kann ich noch ein paar Minuten bleiben?«
»Klar. Soll ich warten?«
»Ja, bitte. Es dauert nicht lange.«
Ich war in Gedanken versunken gewesen und hatte die Zeit aus den Augen verloren, aber ich muss Ihnen sagen, dass ich nicht mehr so traurig war. Ich war auch nicht mehr aufgeregt. In mir war nichts von dem Tumult, den ich in der Ruhe nach einem anstrengenden und stressigen Ereignis erwartet hätte. Es war sehr friedlich hier draußen im Garten, während sich der Himmel verdunkelte und kein Laut zu hören war, bis auf den Wind in den Bäumen. Wenn ich meine Augen schloss, hatte ich das Gefühl, in die letzte Szene meiner Meditation zu gleiten, wo mich nichts umgab außer dem weichen Sonnenlicht und dem tiefblauen Meer.
»Mr. Peterson?«, fragte ich nach einer Weile. »Was glauben Sie, was passiert, wenn wir sterben?«
Er schaute mich ein paar Sekunden lang an, als wollte er etwas in mir einschätzen. Dann sagte er: »Ich glaube nicht, dass irgendetwas passiert, wenn wir sterben.«
Ich dachte kurz nach. »Ich auch nicht«, sagte ich.
Es war das erste Mal, dass ich das jemandem erzählte. Es war vermutlich das erste Mal, dass ich es mir selbst eingestand. Es schien mir ein
Weitere Kostenlose Bücher