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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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beschriebenen Etikett, auf dem »Walt Disney: Schneewittchen« stand.
    »Wir sollten alles wegwerfen, hatte man uns gesagt. Es sei nichts von Interesse dabei. Keine verwertbaren Fingerabdrücke, keine Fettspuren der Waffe.«
    »Und das hier haben Sie aufgehoben?«
    »Ich habe alle aufgehoben, die ganze Tasche voll.«
    Der junge Mann sah den Maresciallo an, als hoffe er, von ihm die Rettungsleine zugeworfen zu bekommen.
    »Ich habe zwei Kinder. Ich dachte, die wegzuwerfen wäre doch zu schade. Und gestern abend haben die zwei mich ein bißchen genervt, und meine Frau hat eine Grippe, da dachte ich an die Filme, damit hätte ich für eine Stunde Ruhe. Zum Glück bin ich im Zimmer geblieben. Mein Ältester kann das Videogerät schon bedienen… es hätte also gut sein können, daß ich sie allein gelassen hätte, aber ich war ja da und hab mich schnell vor den Bildschirm gestellt und ausgeschaltet. Giulia, meine Jüngste, hat schon gefragt: ›Was macht der Mann da?‹«
    »Haben Sie die anderen auch geprüft?«
    »Natürlich, als die Kinder im Bett waren.«
    »Und es sind alles pornographische Videos?«
    »Zu Hause gemacht. Und das Schlimmste ist, man kann zwar, wie Sie sich denken können, nicht viel von den Gesichtern, sehen, aber ich bin ziemlich sicher, daß es das Mädchen ist.«
    »Seine Tochter?«
    »Ja. Scheint Sie nicht zu überraschen.«
    »Wie viele Bänder sind es?«
    »Nur drei. Aber jedes ein dutzendmal kopiert. Er muß sie verkauft haben. Die kaputte Videokamera muß ihm gehören, aber die bekommen wir nun ja nicht wieder. Hätte ich bloß gleich am ersten Abend, als ich nach Hause kam, eins der Bänder eingelegt! Dann hätte ich sie am nächsten Vormittag sofort herbringen können und mir das erspart. Aber jetzt, nach dieser Verzögerung, was wird er da wohl sagen?«
    »Nichts«, erwiderte der Maresciallo mit ausdruckslosem Gesicht. »Er wird gar nichts sagen. Schicken Sie die Bänder mit einem kurzen Anschreiben in sein Büro. Und denken Sie dann nicht mehr dran.«
    Der Maresciallo schob den Umschlag über den Tisch zurück und fing Ferrinis Blick ein.
    Ferrini pfiff leise durch die Zähne. »Was sagt man dazu«, sagte er, »wo ich gerade überlegt hab, ob ich anfangen soll, Hühner zu halten.«
    In Florenz war es dunkel, still und kalt, als der Maresciallo am folgenden Morgen um sechs Uhr zwanzig in Zivilkleidung losfuhr, und zwar mit seinem eigenen Wagen. Das erinnerte ihn an seine Kindheit, als er um halb sieben in der Frühe als Meßdiener in der Kirche gestanden hatte. Um acht mußte er bei der nächsten Vernehmung anwesend sein, und er hoffte, daß niemand je herausbekam, wohin er jetzt fuhr. Seine Miene war so düster und ausdruckslos wie tags zuvor, als er das Päckchen mit dem »Walt-Disney-Film« gesehen hatte. Am Abend hatte er Bacci zu Hause angerufen.
    »Aber haben Sie denn nichts davon gehört? Man muß doch etwas gesagt haben. Ich bin von dem Fall abgezogen.«
    »Warum denn?«
    »Wegen dieser Sache mit Shawcross. Sie müssen doch davon gehört haben.«
    »Was für einer Sache?«
    »Mit Shawcross. Der Mann, der verschwunden ist. Es stand doch in allen Zeitungen.«
    »Ich hab keine Zeitung gelesen.«
    Hatte er zwar doch, aber nur die Artikel über ihren Fall.
    »Er war hier im Urlaub und ist verschwunden. Seine Frau in England macht einen Riesenwirbel, und das Konsulat hat schon Kontakt mit uns aufgenommen. Alle dachten zuerst, er habe seine Frau verlassen. Das wäre nicht unsere Angelegenheit. Jetzt aber sieht es so aus, als hätte ihn jemand in den Bergen gesehen. Angeblich lebt er dort wie ein Wilder. Die Mönche haben ihm Essen hingestellt, aber er kommt nicht so nahe heran, daß sie mit ihm sprechen können. Sie sagen, er sei splitternackt.«
    »Aha.«
    »Sie brauchten jemand, der gut Englisch spricht.«
    »Klar.«
    »Sie glauben wohl nicht…«
    »Was soll ich glauben?«
    »Na ja, ich hab die Sache wohl verpatzt…«
    »Ich… nein«, fiel ihm der Maresciallo schnell ins Wort.
    »Leide ich schon unter Verfolgungswahn?«
    »Wie soll ich das wissen? Glaubst du, daß man dich bei dem neuen Fall wirklich braucht?«
    »Ja, ich bin ziemlich sicher, und es ist auch kein anderer Kollege einsetzbar, jedenfalls weiß ich keinen, der so gut Englisch spricht.«
    Welchen Sinn hatte es denn, Bacci in seiner Sorge noch zu bestätigen? Es hörte sich doch so an, als sei dieser neue Fall für ihn genau das Richtige. In einer solchen Situation, wo bereits das Konsulat beteiligt war, hätte auch der

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