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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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bin spät dran. Gibt es irgend etwas Dringendes?«
    »Nein, nur etwas Seltsames.«
    »Zeigen Sie her.«
    Lorenzini reichte ihm einen kleinen Umschlag in gebrochenem Weiß.
    »Oh, nein…«
    Die Anschrift war aus Zeitungsbuchstaben zusammengesetzt. »Den nehme ich lieber mit. Das kann ja nur…«
    Er öffnete den Brief beim Sprechen, und sein Blick fiel sofort auf den Namen FRANCHI.
    LOS NR. 79 STAMMT NICHT VON ANTONIO FRANCHI
    Der Maresciallo ging in sein Büro und wählte die Nummer des Capitano.
    »Maestrangelo.«
    »Guarnaccia hier. Ich habe einen anonymen Brief erhalten, den ich an Sie weiterleite. Lorenzini wird einen Bericht dazu schreiben.«
    »Es geht darin nicht zufällig um ein Gemälde?«
    »Doch, ja… Ich…«
    »Ein Gemälde von… lassen Sie mich nachdenken…«
    »Von Antonio Franchi, Signore, jawohl. Sie wissen davon?«
    »Ich habe denselben hier auf dem Schreibtisch liegen, und ein Herr vom Auktionshaus ist gerade gegangen. ›Los Nr. 79 stammt nicht von Antonio Franchi.‹«
    »Ja, es ist dieselbe Mitteilung. Die Buchstaben stammen aus einer dieser Zeitschriften auf Hochglanzpapier.«
    »Wissen Sie etwas darüber? Ich vermute, es geht um jemand aus Ihrem Revier oder jemand, der Sie zumindest kennt. Denn sonst…«
    »Könnte sein. Die Sache ist die – ich kenne den jungen Mann, der das Bild verkauft.«
    Er hätte beinahe »den Jungen« gesagt.
    »Bestehen Zweifel an der Echtheit des Bildes?«
    »Er scheint es für echt zu halten. Ich kann das nicht beurteilen. Ich hätte gedacht, für so etwas sei das Auktionshaus verantwortlich.«
    »Ja, schon. Ich hatte den Eindruck, darum macht man sich dort keine Sorgen.«
    »Aber sie sind zu Ihnen gekommen?«
    »Ja, und zwar, weil sie befürchten, daß jemand, und das ist Zitat, ›der vermutlich nicht ganz normal ist‹, während der Auktion einen Skandal verursachen könnte. Das würde ihrem Image schaden, wäre schlecht fürs Geschäft. Für den Fall, daß es zu Turbulenzen kommt, hätten sie gern jemanden dort – in Zivilkleidung natürlich.«
    »Verstehe.«
    Der Capitano war kein Mensch, der sich durch offene Mißfallensbekundungen exponierte, sein Tonfall genügte. Der Maresciallo verstand, wie die Äußerung gemeint war, und reagierte dementsprechend.
    »Aber die Herren vom Auktionshaus müssen ja selbst eingesehen haben, daß Sie keine Männer für ihre privaten geschäftlichen Unternehmungen anstellen können. Ein Verbrechen liegt ja nicht vor.«
    »Nein. Aber sie haben ein paar große Namen in ihrem Aufsichtsrat.«
    Und was das bedeutete, war beiden klar. Irgendwer kannte sicher irgendwen bei den Justizbehörden, der dann Druck ausübte. Sie bekämen ihren Willen, und der Capitano würde für seine Korrektheit büßen. Eine solche Episode schadete unfehlbar seiner Karriere, ganz gleich, welchen Kurs er einschlug.
    »Tut mir leid.«
    Wie leid es ihm in Wirklichkeit tat, konnte der Maresciallo nicht sagen. Er fühlte sich, zumindest zum Teil, verantwortlich, denn es war ihm vollkommen klar, woher die Briefe kamen.
    »Ich sollte das Ding wohl ins Labor schicken, alles Erforderliche veranlassen, um den Absender ausfindig zu machen. Das könnte hilfreich sein, falls ich unter Beschuß gerate. Ich warte natürlich, bis Ihre Sendung hier ankommt. Und falls Sie etwas Nützliches wissen, schreiben Sie es in den Bericht hinein.«
    »Vielleicht sollte ich lieber persönlich zu Ihnen kommen. Aber nicht heute – Sie wissen ja, wie eingespannt ich bei dem anderen Fall bin. Ich bin sowieso schon zu spät dran.«
    »Natürlich. Ich kann Sie ja kaum drängen. Kommen Sie vorbei, wann Sie können.«
    Als er aufgelegt hatte, fragte sich der Maresciallo, ob er dem Capitano nicht hätte raten sollen, sich die Mühe einer Laboruntersuchung zu ersparen. Aber er hatte wohl recht getan, nichts zu sagen, denn es kam ja nur auf die Geste an. Er sah auf den Brief hinunter. Anonym, du liebe Güte! Was sollte das bezwecken? Wollte er den Maresciallo manipulieren? Die Carabinieri? Ein namhaftes Publikum zusammentrommeln und wirklich bei der Auktion einen Skandal inszenieren? Was immer die Beweggründe für die Briefe sein mochten, ganz gleich, welches Spiel da gespielt wurde, um Anonymität ging es dabei nicht. Das Briefpapier zum Beispiel war schon mal dick und hatte einen Büttenrand. War handgeschöpft, man brauchte kein Fachmann zu sein, um das zu erkennen. So leicht auffindbar, wie Papier nur sein konnte. Aber nicht das Papier war dem Maresciallo zuerst aufgefallen. Er

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